Der kaufmännische Direktor blickte zudem noch kurz voraus. „Wir wissen nicht, wie sich die pandemische Lage verändert“, sagte er. Ebenso sprach er das drohende Beschäftigungsverbot für Ungeimpfte an und über offene Stellen, die man adäquat besetzen wolle.
Zurück blickte wiederum der ärztliche Direktor Prof. Dr. Fabian Stuby. Nicht ganz so weit wie Schroth, nur wenige Wochen zurück auf das Zugunglück bei Burgrain. In solchen Fällen brauche es „in mehreren Dienstleistungen Vorbehaltung von Personal“. Für einen OP, sagte Stuby, benötige man ungefähr zehn Personen. Noch heute liegen zwei Verletze des Zugunglücks im UKM, sie seien stabil. Auch bei einem Großereignis wie dem G7-Gipfel Ende Juni müsse mit einem Massenanfall Verletzter gerechnet werden. Zum Glück sei nichts passiert, meinte Stuby. 15 Polytrauma-Fälle seien an jenem Wochenende zwar eingeliefert worden, diese hätten aber nicht mit dem Gipfel in Verbindung gestanden, so der ärztliche Direktor.
Die aktuelle Situation beschrieb Martin Weigand, Projektleiter des zum 1. Juli 2022 neu gegründeten achtköpfigen Teams ORANGE (kurz für: Orientierung, Aktivierung, Nähe, Gemeinsamkeit, Entwicklung). Welche Aufgabe diese innovative Pflegeeinheit hat, erläuterte Wiegand, der seit Mitte der Achtzigerjahre in der Pflege arbeitet und seit 2008 in der Unfallklinik, anhand eines Fallbeispiels, dass zwar fiktiv, aber auch alltäglich sei, so der Leiter. Eine einsame 85-Jährige, die sich von der Liebe ihres Hundes nährt, schlecht sieht, schlecht hört, sich den Oberschenkelhals bricht. Erst das Bellen ihres Hundes macht Außenstehende auf den Unfall aufmerksam. Auf Patienten mit diesem Background ist das Team ORANGE ausgerichtet, auf Menschen, die altersbedingte und chronische Erkrankungen und Wahrnehmungs- und Angststörungen haben, die unter Depressionen und Einsamkeit leiden, deren kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Auch „sind wir ein bisschen die Schnittstelle zwischen verschiedenen Ansprechpartnern“, so Wiegand.
„Wir bauen ein Nest“, sagte der Leiter der Einheit, man biete Halt, Sicherheit, Orientierung, Tagesstruktur. Der Klinikaufenthalt soll so für alle Seiten möglichst reibungsfrei verlaufen, zugleich könne das Risiko einer Überforderungsreaktion oder von Komplikationen wie einem Delir gesenkt werden. Generell würden mehrere Dinge verringert: die Sturzraten, die Belastungen für alle Beteiligten, die Kosten.
„Vulnerable Menschen haben besondere Bedürfnisse. Mit dem Team ORANGE ist es uns gelungen, mit einem neuen, professionellen Ansatz nicht nur die medizinische und klinische Versorgung bis hin zur Therapie, Mobilisierung und optimaler Pflege interdisziplinär zu gewährleisten, sondern künftig auch wichtige ‚weiche‘ soziale Themen unserer Patientinnen und Patienten aufzufangen“, so Pflegedirektorin Christina Sterk.
Sterk informierte abschließend noch über eine neue Weiterbildungsmaßnahme. „Es gibt Pflegende, die lange aus dem Beruf raus sind“, sagte Sterk. „Uns war es wichtig, darauf ein Konzept zu entwickeln“. Diese spezielle Maßnahme, die neben Praxis auch eine Seminarreihe als „theoretischen Input“ mit 86 Unterrichtseinheiten in elf Tagen beinhaltet, soll im September starten. Manchmal „braucht’s was, um wieder den Mut zu haben, zurückzukehren“, sagte Sterk.
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