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Abweichler als Risiko für die Regierung

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Vize, Außenminister Guido Westerwelle (FDP): Der Berliner Regierungskoalition stehen wichtige Entscheidungen bevor. © dpa

Berlin - Bei der Bundespräsidentenwahl haben Dutzende Vertreter von FDP und Union ihrer Kanzlerin kräftig vors Schienbein getreten. Spannend wird's nun im Bundestag, wenn wichtige Vorhaben zur Abstimung stehen.

Wer die 44 Abweichler im ersten Wahlgang waren, die Christian Wulff die Stimme verweigerten, wird Angela Merkel wohl nie erfahren. Die größtenteils anonymen Rebellen könnten aber für die CDU-Chefin zum Problem werden, denn die Regierung will in den kommenden Wochen wichtige und teils noch sehr strittige Gesetzesvorhaben durchs Parlament bringen.

Heikle Baustelle Gesundheitsreform

Die komplizierteste und heikelste Baustelle ist die Gesundheitsreform. Hier liegen seit Wochen insbesondere FDP und CSU über Kreuz, die ihre Vorstellungen wechselseitig als nicht akzeptabel einstuften. Nun macht Merkel Tempo: Für den (heutigen) Donnerstag und den (morgigen) Freitag sind Spitzentreffen der Fraktionschefs und Parteivorsitzenden im Kanzleramt geplant; parallel verhandeln die Fraktionsexperten mit Gesundheitsminister Philipp Rösler.

Wulff gewählt: Die Schlagzeilen der Zeitungen

Noch bis zur Sommerpause Mitte Juli soll das Gesetzesvorhaben auf die Schiene gesetzt werden. Absehbar sind höhere Zusatzbeiträge. Laut “Frankfurter Rundschau“ hat die CDU nun ein neues Kompromisspapier vorgelegt, nach dem die Zusatzbeiträge nach dem Einkommen der Versicherten gestaffelt werden sollen. Bis zu einem Einkommen von 1.400 Euro läge der maximal mögliche Zusatzbeitrag demnach weiter bei einem Prozent des Einkommens. Bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze von 3.750 Euro soll der Satz dann schrittweise auf 2,5 Prozent steigen. Für Gutverdiener würde damit die Belastung von bisher höchstens 37,50 Euro auf 93,57 Euro steigen.

Haushalt mit massiven Sparmaßnahmen

Schon am (morgigen) Freitag legt Finanzminister Wolfgang Schäuble seinen Entwurf für den Haushalt 2011 und die Finanzplanung bis 2014 vor. Das Konzept soll aufzeigen, wie der Bund seine Rekordneuverschuldung senken und bis spätestens 2016 auf null drücken kann - so wie es die neue Schuldenbremse im Grundgesetz vorschreibt. Gelingen soll dies mit Hilfe des von der Kabinettsklausur gebilligten SPARPAKETS, das die Staatsausgaben bis 2014 um rund 80 Milliarden Euro senken soll. Es war Anfang Juni aber nicht nur beim politischen Gegner auf Vorbehalte gestoßen, sondern auch bei Union und FDP.

Deutlich kürzen will die Regierung unter anderem bei den Langzeitarbeitslosen. Für Familien wird das Elterngeld gesenkt. Aber auch der Wirtschaft werden Milliardenbeträge abverlangt: So soll die Atomindustrie ab 2011 jährlich einer neue Steuer von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr zahlen. Und Ausnahmen bei der Ökosteuer, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben, werden reduziert. Für Flüge, die von einem inländischen Flughafen abgehen, wird schon ab 2011 eine ökologische Luftverkehrsabgabe fällig, die jährlich eine Milliarde Euro einbringen soll.

Und auch in der Bundesverwaltung wird der Rotstift angesetzt: Bis 2014 sollen dauerhaft mehr als 10.000 Stellen abgebaut werden. Das Sparen wird etwas leichter, weil der Bund dieses Jahr viel weniger neue Schulden machen muss als befürchtet. Die Neuverschuldung beträgt dieses Jahr wahrscheinlich rund 60 Milliarden Euro und damit rund 20 Milliarden Euro weniger als im Haushaltsplan veranschlagt.

Bundeswehrreform bringt kleinere Truppe mit sich

Die Bundeswehr soll gemäß dem Sparpaket ab 2013 besonders kräftig abspecken und seine Ausgaben um zwei Milliarden Euro jährlich senken. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll bis Anfang September klären, welche Folgen eine Verkleinerung der Truppe um bis zu 40.000 Soldaten hätte. Dabei soll auch die Zukunft der Wehrpflicht geprüft werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel betont, dass es “keine Denkverbote“ gebe. Guttenberg hat aus Kostengründen nicht nur eine kräftige Verkleinerung der Truppe, sondern auch die Aussetzung der Wehrpflicht ins Gespräch gebracht, was aber von CSU-Chef Horst Seehofer und auch Teilen der CDU strikt abgelehnt wird. Die FDP ist hingegen für die Abschaffung der Wehrpflicht. Erwogen wird auch der Verzicht auf kostspielige Rüstungsprojekte. Ein bloßes “weiter so“ würde die Bundeswehr laut Verteidigungsminister “sukzessive zu Grabe tragen“. Bis zum Jahr 2014 würde allein der Erhalt der bisherigen Strukturen Mehrkosten in Höhe von 5,6 Milliarden Euro verursachen. “Wir sind dramatisch unterfinanziert“, lautet sein Fazit.

Streit über Atomlaufzeiten

Regierungsexperten wollen bis Ende August verschiedene Energieszenarien erarbeiten, von denen die Verlängerung der Atomkraftlaufzeiten abhängt. Entscheidungen sollen dann im September oder Oktober fallen. Die CSU will eine Verlängerung um mindestens 15 Jahre durchsetzen, Umweltminister Norbert Röttgen plädiert hingegen für eine kürzere Frist. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann drohte mit einer Verfassungsklage gegen den Atomausstieg, sollten SPD und Grüne ihrerseits versuchen, die Verlängerung der Laufzeiten vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall zu bringen.

Nach dem geltenden Gesetz zum Atomausstieg aus dem Jahr 2002 müssen die Reaktoren abgeschaltet werden, sobald sie eine Strommenge erzeugt haben, die 32 Jahren Betrieb entspricht. Schon im Herbst müsste nach den geltenden Verträgen der erste Block des Kernkraftwerks in Neckarwestheim vom Netz. Röttgen will die Atomkraft als “Brückentechnik“ nutzen, bis ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung steht.

dapd

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