Grüne erklären sich offiziell bereit zu Jamaika-Sondierungen

Die Grünen sind am Samstag in Berlin zu einem Länderrat zusammengekommen, auf dem die Weichen für Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis gestellt werden sollen.
Berlin - In einer Beschlussvorlage des Bundesvorstandes erklärt sich die Partei ausdrücklich bereit, mit Union und FDP die Möglichkeiten einer gemeinsamen Regierung auszuloten. "In den Gesprächen werden wir klar machen, dass wir ökologischen Fortschritt und mehr soziale Gerechtigkeit in einem Land erreichen wollen, in dem das soziale Gefüge brüchig wird", heißt es darin. Zugleich soll mit dem Beschluss das 14-köpfige Verhandlungsteam eingesetzt werden, das die Sondierungen führen soll. Geleitet wird die Delegation von den beiden Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir. Vertreten sind zudem der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Parteilinke Jürgen Trittin. Ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen ist nach der Absage der SPD an eine Neuauflage der großen Koalition die einzig verbliebene Option für eine künftige Regierung. „Lasst uns in dem Spirit, wie wir den Wahlkampf gemacht haben, jetzt gemeinsam weitermachen“, sagte Spitzenkandidat Cem Özdemir am Samstag in Berlin vor rund 90 Delegierten eines kleinen Parteitags. „Geschlossen, klar, in die Zukunft ausgerichtet, dann machen wir das super weiter.“ Keiner habe sich vor der Wahl eine Jamaika-Koalition gewünscht, sagte Özdemir. Nun komme es darauf an, den Wählerauftrag ernst zu nehmen und sich für Ökologie, ein starkes Europa und Gerechtigkeit einzusetzen. Die Grünen wollten die Stimme derer sein, die bisher keine Lobby hätten. Er kündigte Gespräche mit „allen möglichen gesellschaftlichen Akteuren“ für die kommenden Wochen an.
Grüne erklären sich offiziell bereit zu Jamaika-Sondierungen
Die Grünen haben offiziell ihre Bereitschaft zu Gesprächen über eine Jamaika-Koalition erklärt. „Eine Einladung der CDU und CSU zu gemeinsamen Sondierungsgesprächen mit der FDP nehmen wir an“, heißt es in einem Beschluss, den ein kleiner Parteitag am Samstag in Berlin ohne Gegenstimmen verabschiedete. Es gebe aber keinen Automatismus für eine Regierungsbeteiligung. „Wenn Gespräche nicht konstruktiv verlaufen, dann werden wir aus der Opposition für Veränderung kämpfen“, heißt es weiter in dem Beschluss, der auch die Namen eines 14-köpfigen Sondierungsteams enthält. Der grüne Länderrat bekräftigte überdies das Selbstbild als Partei der linken Mitte. In der Sondierungsgruppe sind der linke und der realpolitische Flügel gleichermaßen vertreten. Ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden, soll nach Ende der Sondierung ein Bundesparteitag entscheiden. Über den Koalitionsvertrag stimmt am Ende die Parteibasis ab.
Gerüchte über Ministerposten-Verteilung
Mit Blick auf Gerüchte, dass Grüne und FDP in kleiner Runde bereits über Ministerposten sprechen würden, sagte Özdemir: „Es gab diese Treffen weder vor der Wahl noch nach der Wahl.“ Es gebe keine „Parallelverhandlungen“, alle Entscheidungen würden in der Sondierungsgruppe gemeinsam getroffen. Diese Gruppe sei auch deswegen so groß, weil die gesamte Partei mitgenommen werden solle. Zwischen den drei Parteien gibt es aber nicht zuletzt in der Flüchtlings- und der Umweltpolitik erhebliche Differenzen. Die Sondierungen werden vermutlich nach der Niedersachsen-Wahl beginnen, die am 15. Oktober stattfindet. Zuvor wollen noch CDU und CSU nach ihrer Schlappe bei der Bundestagswahl über ihren künftigen Kurs beraten. Führen die Sondierungen zu einem positiven Ergebnis, soll ein Parteitag der Grünen über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden.
Gespräche werden nicht leicht
Er räumte zugleich ein, dass die Gespräche kompliziert würden. Schließlich sei Jamaika eine "Konstellation, die sich keiner der Akteure so gewünscht hat", sagte Özdemir. Vehement trat er Spekulationen entgegen, es gebe bereits Vorabsprachen zu einem Jamaika-Kabinett. Es habe weder vor nach der Wahl Geheimtreffen gegeben. Der Parteichef bezog sich damit auf einen Pressebericht, demzufolge Grüne und FDP sich bereits getroffen und über Kabinettsposten beraten haben. "Wir werden uns durch solche Husarenmeldungen nicht auseinander dividieren lassen." Ko-Parteichefin Simone Peter rief die Grünen auf, selbstbewusst in die Verhandlungen zu gehen. Die Grünen seien eine Partei, die werteorientiert sei und nicht machtorientiert. Deshalb würden sich die Grünen nicht "mit Plattitüden und Absichtserklärungen abspeisen lassen". Die Grünen müssten sich klar zum Grundrecht auf Asyl bekennen, fügte Peter hinzu. Sie forderte zudem ein Ende der auf Einsparungen ausgerichteten Austeritätspolitik in Europa. "Deshalb ist es für mich noch längst nicht ausgemacht, dass FDP-Chef Christian Lindner Finanzminister wird", sagte sie.
Kretschmann: „Obwohl wir uns nicht gesucht haben, mussten wir uns finden.“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat von den Grünen Mut für Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP gefordert. „Wir brauchen jetzt einfach eine verlässliche Regierung“, sagte Kretschmann, der in Baden-Württemberg eine Koalition der Grünen mit der CDU anführt, am Samstag auf einem kleinen Parteitag der Grünen in Berlin.
Der Wahlkampf-Slogan „Zukunft wird aus Mut gemacht“ sei jetzt eine Aufforderung an die Partei selbst. Die Grünen hätten eine „riesige Verantwortung“, mahnte Kretschmann. Sie müssten mit Respekt annehmen, was die Wähler „zusammengewählt hätten“. Am Ende von Verhandlungen müsse der Preis stimmen, betonte Kretschmann, und zwar für alle. „Jeder muss mit seinem Preis auch durchkommen, er muss Freiraum haben für sein Profil, für seine Identität.“ Als Vorbild nannte er Grün-Schwarz in Baden-Württemberg: „Obwohl wir uns nicht gesucht haben, mussten wir uns finden“, sagte Kretschmann über die Zusammenarbeit mit der CDU. Heute werde das Land von beiden „ordentlich regiert“.
Grünen, denen die „Fantasie“ für Jamaika fehle, legte Kretschmann Michael Endes Roman „Die unendliche Geschichte“ ans Herz oder den Besuch von Opern. „Weil diese kreativen Menschen zeigen, wie man aus altem Stoff unentwegt was Neues macht.“
dpa/afp