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Kohleausstieg steht: Jetzt will RWE den Hambacher Forst zurück - „Für die Aktivisten...“

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Der Weg zum Ende der Kohleverstromung in Deutschland ist nach langem Ringen abgesteckt. Der Fahrplan für den Kohleausstieg in Deutschland steht damit. Glücklich sind deshalb aber nicht alle.

Update 17. Januar, 7.18 Uhr: Nach der Kohle-Einigung zwischen Bund, Ländern und Energiekonzernen fordert RWE-Chef Rolf Martin Schmitz die Aktivisten im Hambacher Forst auf, den Wald zu verlassen. „Für die Aktivisten gibt es keinen Grund mehr, im Hambacher Forst zu bleiben. Es wird spätestens jetzt Zeit, dass sie dort endlich ihre Baumhäuser abbauen“, sagte er der „Rheinischen Post“ aus Düsseldorf.

Der Bund, die Kohle-Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen sowie die Konzerne hatten sich in der Nacht zum Donnerstag über den Fahrplan für den Kohleausstieg in Deutschland geeinigt. Demnach soll der zwischen Köln und Aachen gelegene Hambacher Forst dauerhaft erhalten bleiben - er sollte ursprünglich dem Hambacher Braunkohle-Tagebau weichen und war zum Symbol geworden für den Kampf von Klimaschützern gegen die Kohlebranche.

Von 2030 an will RWE nur noch den nahegelegenen Tagebau Garzweiler betreiben. Umweltverbände haben bereits Proteste angekündigt. Zum Zeitplan für den Tagebau Hambach sagte RWE-Chef Schmitz der „Rheinischen Post“: „Der Abbau in Hambach geht bis 2022 weiter zurück. Bis die Kohlegewinnung ganz eingestellt ist, wird es 2029 werden.“ Damit werde klar, „dass Garzweiler unverändert gebraucht wird“.

Schmitz hatte nach der Kohle-Einigung angekündigt, die Umsiedlungen am Tagebau Garzweiler werde RWE „vollständig und möglichst zügig beenden“. Die Kohle unter den betroffenen Dörfern benötige RWE bereits von 2024 an. Deutschland soll bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Stein- und Braunkohle aussteigen.

Doch ob die Aktivisten so bald aus dem Forst ausziehen, der ihnen nun jahrelang eine Heimat war, ist fraglich. Es könnte sein, dass sie sich bald ein neues Projekt vornehmen: Die Wasserversorgung des Waldes. Andere Protestler konzentrieren sich bereits auf das nächste Kraftwerk Datteln 4.

Kohleausstiegs-Fahrplan steht: Baerbock mit deutlicher Reaktion - „unbegreiflich“

Ursprungsmeldung vom 16. Januar 2020: 

Berlin - Der Fahrplan für den Kohleausstieg in Deutschland steht. Noch im laufenden Jahr soll mit dem Projekt begonnen werden. Bis zum Ende 2020 soll etwa der erste Block in einem Braunkohlekraftwerk im Rheinischen Revier abgeschaltet werden. Allerdings soll mit Datteln 4 in NRW auch noch ein großes neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen. Vor allem dieser Punkt sorgt bei Gegnern der Kohleausstieg-Vereinbarung von Bundesregierung, Ländern und Unternehmen für Kritik.

Uniper Kohle-Kraftwerk Datten 4
Uniper Kohle-Kraftwerk Datten 4 © dpa / Bernd Thissen

Heftige Angriffe gab es für die Einigung von Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Sie konnte den Fahrplan nicht nachvollziehen. Die Regierung habe „ein Jahr verplempert“, seit die Kohlekommission ihre Empfehlungen vorgelegt hatte, und dann den dort aufgezeigten Ausstiegspfad verlassen, sagte Baerbock den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitagsausgaben). „Und obendrein will sie noch ein neues Kohlekraftwerk ans Netz lassen. Das ist mir unbegreiflich“, so Baerbock weiter.

Auch von der Klimaschutzbewegung Fridays for Future kam deutlich Kritik. Die Vereinbarung sei ein "Beweis für das Versagen der GroKo", sagte Fridays-for-Future-Aktivistin Carla Reemtsma den Sendern RTL und n-tv. "Er bedeutet eine Absage an das 1,5-Grad-Ziel und widerspricht den Empfehlungen der Kohlekommission, indem mit Datteln IV ein neues Kraftwerk ans Netz gehen kann."

Fahrplan für Kohleausstieg steht - Altmaier spricht von guter Einigung

Dagegen sprach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag von einer guten Einigung für den Klimaschutz. Kraftwerk-Betreiber, deren Fabriken vorzeitig abgeschaltet werden, bekommen Entschädigungen von insgesamt 4,35 Milliarden Euro, wie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte.

Die Bundesregierung und die vier Kohleländer hatten nach einem monatelangen Ringen am frühen Donnerstagmorgen bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt einen Durchbruch erzielt. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, acht „sehr alte und dreckige“ Kraftwerksblöcke sollten nun schnell vom Netz: „Der Kohleausstieg beginnt sofort, er ist verbindlich.“

Das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 laufen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte befürchtet, dass Schkopau zugunsten von Datteln früher vom Netz muss, im Gespräch war das Jahr 2026. Er zeigte sich nun sehr zufrieden. Das Datum 2034 gebe dem Land Planungssicherheit.

Kohleausstieg: Fahrplan für Deutschland steht - Empörung bei Umweltverbänden

Umweltverbände reagierten empört auf das grüne Licht für das Kraftwerk Datteln 4. Das sei „ein klarer Bruch mit dem Kohle-Kompromiss“, sagte der Vorsitzende des BUND, Olaf Brandt. „Der gesellschaftliche Großkonflikt wird so nicht entspannt, sondern angefacht.“ Klimaaktivisten der Gruppe „Ende Gelände“ kündigten Widerstand gegen den Netzanschluss des Kraftwerks an.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hatte empfohlen, so mit den Betreibern zu verhandeln, dass Datteln 4 nicht ans Netz geht. Altmaier sagte, die Politik werde die Inbetriebnahme nicht verhindern. Dies habe auch mit der komplexen Systematik von Entschädigungsleistungen zu tun.

Bei der Braunkohle werden bis Ende 2022 ausschließlich RWE-Kraftwerke abgeschaltet. Der Essener Energiekonzern soll eine Entschädigung von 2,6 Milliarden Euro erhalten. Die Summe liege deutlich unterhalb des tatsächlich entstehenden Schadens von rund 3,5 Milliarden Euro, teilte RWE mit. Entgangene Gewinne vom mehreren 100 Millionen Euro seien in der Gesamtsumme nicht enthalten.

Fahrplan für den Kohleausstieg in Deutschland: Bis 2038 soll Schluss sein

Deutschland soll bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Stein- und Braunkohle aussteigen. In den Jahren 2026 und 2029 soll überprüft werden, ob Stilllegungsdaten nach 2030 um je drei Jahre vorgezogen werden können - damit vielleicht doch schon 2035 komplett Schluss ist.

Vor dem Spitzentreffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen auf verbindliche Zusagen für die Strukturhilfen gepocht - nun wurde ihnen eine Bund-Länder-Vereinbarung bis Mai zugesagt. „Wir können mit diesem Ergebnis gut leben“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte: „Ich bin froh, dass jetzt Klarheit herrscht.“

Noch im Januar will das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für den Kohleausstieg auf den Weg bringen. Er soll bis Mitte des Jahres verabschiedet sein - an dieses Gesetz sind Strukturhilfen gekoppelt. Die Kohleregionen sollen insgesamt 40 Milliarden Euro für den Umbau ihrer Wirtschaft bekommen. Zusätzliche Gaskraftwerks-Kapazitäten sollen wegfallende Leistung ersetzen, zum Beispiel im brandenburgischen Jänschwalde, wo das dortige Braunkohlekraftwerk bis Ende 2028 vom Netz gehen soll.

Kohleausstieg in Deutschland: Hambacher Forst soll erhalten bleiben

Der Hambacher Wald in Nordrhein-Westfalen soll dauerhaft erhalten bleiben - er war zum Symbol geworden für den Kampf von Klimaschützern gegen die Kohlebranche. „Der Forst bleibt stehen“, versicherte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Ab 2030 will RWE nur noch den Tagebau Garzweiler betreiben. Dafür seien alle geplanten Umsiedlungen erforderlich, sagte Schmitz. Umweltverbände haben bereits Proteste angekündigt.

Beschäftigte in Braunkohle-Kraftwerken und -Tagebauen sowie in Steinkohle-Kraftwerken sollen bis 2043 von einem sogenannten Anpassungsgeld profitieren können. Dies könnte noch einmal Milliarden kosten. Wenn Mitarbeiter ihren Job verlieren, können sie mit dem Anpassungsgeld die Zeit bis zum frühzeitigen Renteneintritt überbrücken. So etwas gibt es schon für den Steinkohle-Bergbau.

Geplant sind außerdem Entlastungen für die Wirtschaft von höheren Strompreisen. Im Klimapaket hatte die Bundesregierung bereits eine Senkung der Ökostrom-Umlage vereinbart, wenn der CO2-Preis ab 2021 Diesel und Benzin, Erdgas und Heizöl verteuert. Nun sollen zudem Unternehmen mit extrahoher Stromrechnung, die im internationalen Wettbewerb stehen, ab 2023 durch einen „jährlichen angemessenen Zuschuss“ entlastet werden.

Industriepräsident Dieter Kempf kritisierte, die geplanten Ausgleichszahlungen seien nicht ausreichend. Der FDP-Energiepolitiker Lukas Köhler sprach von sinnlosen Milliardengeschenken auf Kosten der Steuerzahler. Für die Grünen ist die Vereinbarung eine vertane Chance für den Klimaschutz.

dpa

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