Düstere Prognose für Merkel - Internationale Presse schlägt Alarm
Die SPD hat eine neue Spitze - und könnte nun die GroKo ins Wanken bringen. Die internationale Presse sieht teils das Ende der Ära Merkel heraufdämmern. Mancherorts durchaus mit Freude.
- Die Kür von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu den neuen SPD-Chefs sorgt für Aufsehen in Europa und der Welt.
- Einige Blätter aus dem Ausland prophezeien nun ein baldiges Aus für Angela Merkels GroKo.
- Kommentatoren aus den USA sehen in der neuen Entwicklung eine Chance für Deutschland.
Berlin - Die SPD-Mitglieder haben bei der Kür ihrer neuen Vorsitzenden die Parteiprominenz in Person von Vizekanzler Olaf Scholz abgestraft. Überraschend genug - aber werden sie damit auch das fragile Gleichgewicht der GroKo stören? Oder am Ende gar zerstören und die Ära Merkel beenden?
Die Frage harrt vorerst ihrer Beantwortung: Zunächst einmal wird der SPD-Parteitag am Wochenende mehr über die neuen Machtverhältnisse innerhalb der einst stolzen sozialdemokratischen Partei verraten. Doch gerade die ausländische Presse mit ihrem etwas distanzierteren Blick rechnet schon jetzt mit weitreichenden Konsequenzen für die Regierung Angela Merkels.
Esken und Walter-Borjans an der SPD-Spitze: „Strategielos in den Koalitionsbruch“?
Der Schweizer Tages-Anzeiger etwa urteilte am Montag in einem Kommentar, mit den neuen Spitzen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken taumele die SPD „strategielos einem Bruch mit der Regierung entgegen, auf den früher oder später Neuwahlen folgen werden“. Das neue Führungsduo der Sozialdemokraten findet das dem politischen Mainstream zugeneigte Medium übrigens „farblos“.
Die Parteibasis der Sozialdemokraten habe sich „für eine entschlossenere Suche nach der Identität der SPD und für eine klarere Abkehr von Angela Merkels Regierungsjahren“ ausgesprochen, befindet die Neue Zürcher Zeitung: „Die Partei peilt mit diesem Kurs klar eine künftige Dreierkoalition mit den Grünen und der Linkspartei an.“ Wohlgemerkt: Dieses Ziel sei „noch fern“.
Das renommierte französische Blatt Le Monde hingegen hält einen „plötzlichen Abgang“ der Kanzlerin nach dem „Linksruck“ in der SPD durchaus für realistisch. „Angela Merkel konnte sich kein schlechteres Szenario vorstellen“, heißt es hier. Scholz‘ Niederlage lasse an der Zukunft der GroKo zweifeln, meint die BBC.
SPD wählt neue Spitze - eine „Gefahr für die regierende Koalition“?
Auch in den USA wird geunkt. Das Wall Street Journal sieht einen „neuen Rückschlag“ für die GroKo. Die Entscheidung der SPD-Basis erhöhe den Druck auf das Bündnis, das ohnehin seit Beginn „von Spannungen zerrissen ist“. Eine Bedrohung für die Regierung sieht auch die Agentur Reuters: Die Wahl der SPD-Mitglieder „gefährdet Deutschlands regierende Koalition“, befindet die englischsprachige Ausgabe.
Noch drastischer formuliert es die Konkurrenzagentur Bloomberg. Walter-Borjans und Esken seien auf dem Wege, Deutschland und Europa „einen Gefallen zu tun“, heißt es dort. Die Aussicht auf einen Ausstieg der SPD aus der GroKo habe bereits eine „ausgewachsene Regierungskrise“ entfacht - zugleich gelte: „Alles, was das Land aus seiner Erstarrung wachrüttelt, bietet einen Hoffnungsschimmer“.
„Lame Duck“ und „ohrenbetäubende Stille“: Angela Merkel in der Kritik - Kommentator freut sich auf Veränderung
Alle Kabinette unter Merkel hätten nur Flickwerk verrichtet, die Kanzlerin habe sich selbst zur „Lame Duck“ gemacht, die Stille aus Berlin zu Reform-Vorschlägen aus der EU sei „ohrenbetäubend“, die Parlamentsarbeit „erlahmt“, kommentiert die Nachrichtenagentur. Nun stehe Deutschland ungewohnter „Tumult“ bevor - doch am Ende könnten neue politische Optionen stehen: „Deutschland und Europa zuliebe“ sollten diese ausprobiert werden. Im Sinne hat Bloomberg offenbar nicht zuletzt die im steten Umfragehoch befindlichen Grünen.
Weitaus gelassenere Stimmen gibt es im Ausland allerdings auch. Neuwahlen kämen für beide Koalitionsparteien einem politischen Amoklauf gleich, schreibt etwa Der Standard aus Wien.
Endet die GroKo? Gemäßigte Prognose aus den Niederlanden
„Wahrscheinlich werden prominente GroKo-Gegner wie der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert versuchen, die durch die Wahl von Walter-Borjans und Esken ausgelöste revolutionäre Stimmung zu nutzen“, räumt zwar der niederländische de Volkskrant ein. Das Blatt relativiert aber auch: „Aber schnelle Neuwahlen sind für die SPD ein großes Risiko“ - und auch die CDU sei angesichts interner Spaltungen „noch nicht für Neuwahlen bereit“.
Die New York Times hatte bereits vor einigen Wochen einen Abgesang auf Angela Merkels „Zombie-Koalition“ veröffentlicht. Mehr über den
SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans erfahren Sie in diesem Artikel. In einem Interview mit dem „Münchner Merkur“* hatte „NoWaBo“ Mitte November die Parteigrößen der SPD ins Visier genommen.
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fn
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