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"Meuterei gegen Merkel" - Pressestimmen zur Wulff-Wahl

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München - Das war ein Denkzettel für die Kanzlerin! So bewerten die deutschen und internationalen Zeitungen nahezu übereinstimmend die Bundespräsidenten-Wahl. Lesen Sie die Pressestimmen:

Der konservative Münchner Merkur schreibt:

"Was sich gestern in der Bundesversammlung abspielte, war eine offene Meuterei gegen Merkel, ein Kontroll- und Autoritätsverlust im eigenen Lager, wie ihn zuvor nur die SPD-Kanzler Schröder in der Debatte um die Agenda 2010 und Schmidt im Streit um die Nato-Nachrüstung erlebten. Beiden folgte bald der Sturz.

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Abgestraft wurde nicht nur Merkels Unfähigkeit, dem schwarz-gelben Projekt Sinn und Richtung zu geben. Schiffbruch erlitt auch das dubiose Demokratieverständnis der Kanzlerin, wonach das höchste Staatsamt zu bekleiden habe, wer Schwarz-Gelb die geringsten Scherereien bereitet und wer ihren, Merkels persönlichen Machtambitionen am wenigsten im Wege steht"

Die Boulevardzeitung "tz" kommentiert:

"Diese Schlacht ums Schloss Bellevue hinterließ weniger einen Sieger als viel, "Sperrfeuermehr viele Verlierer: Trotz eigentlich satter Mehrheit hat Schwarz-Gelb bewiesen, dass die Reihen des Regierungsbündnisses nicht geschlossen sind. Zwei Mal musste Angela Merkels Lieblingskandidat Christian Wulff sich von der Bundesversammlung demütigen lassen."

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Der Berliner "Tagesspiegel" schreibt an die Adresse der Regierung:

"Das war kein Warnschuss. Das war gezieltes Sperrfeuer. Und das Signal lautet: So geht es nicht mehr weiter!"

Der General-Anzeiger aus Bonn meint:

"Dies ist eine schallende Ohrfeige für Schwarz-Gelb und für Angela Merkel die bisher größte Pleite ihrer Kanzlerschaft."

Die links-liberale "Frankfurter Rundschau" kommentiert:

"Ich bin so frei, haben gleich mehrere Dutzend Wahlleute aus der CDU/CSU insgeheim gesagt. In freier und geheimer Wahl ist das ihr gutes Recht. Dass sie es auch wahrnehmen, zeigt indes auch, wie groß die Aggression gegen Merkel ist. Sie mögen Gauck für besser halten als Wulff. Aber jedem, der dem Bewerber von SPD und Grünen seine Stimme gegeben hat, ist auch die politische Wucht eines so breiten Schwenks klar."

Die konservative "Welt" vermutet:

"Es wäre doch seltsam, wenn in einer Partei, die einmal 'Freiheit oder Sozialismus' plakatierte, Herr Gauck nicht auf Zustimmung stieße. Es wäre doch verwunderlich, wenn ein Kandidat, dessen großes Thema der Vorrang der Freiheit vor der sozialen Sicherheit ist, bei der FDP keine Anhänger hätte."

Die "Mittelbayerische Zeitung" aus Regensburg schreibt:

"Lafontaine und Gysi taten so, als sei es die Schuld von Rot- Grün, nicht rechtzeitig über einen gemeinsamen Kandidaten verhandelt zu haben. SPD-Chef Gabriel lag aber schon richtig, wenn er von einer großen Chance spricht, die die Linkspartei in Sachen Vergangenheitsbewältigung vertan hat in dieser Bundesversammlung."

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Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt:

"Die überraschend vielen Stimmen für Joachim Gauck sind Ruhmesblätter für ihn und (ein) Denkzettel für Merkel. Sie sind aber vielleicht auch ein Ausweis dafür, dass die Parteiendemokratie nicht ganz so verkrustet ist, wie es so oft den Anschein hat. (...) Es wird Wulffs erste Aufgabe sein müssen, den öffentlichen Katzenjammer (...) zu überwinden. Es muss ihm gelingen, den bürgerlichen Elan und den begeisterten Furor, der nun wochenlang Gauck galt, wieder zu wecken und als neuen Kraftstoff für demokratische Politik zu nutzen."

Die in Zürich erscheinende “Neue Zürcher Zeitung“ kommentiert

“Die Schwierigkeiten bei der Wahl Wulffs haben drei Hauptursachen. Zum Ersten sind sie Ausdruck der enormen Wertschätzung für Gauck im Lager der Koalition. Zum Zweiten artikulierte sich Unmut darüber, dass Merkel nicht den Mut hatte, auf das Angebot der Opposition einzugehen, Gauck gemeinsam zu küren. Und drittens war die Wahl ein Ventil für kritische Christlichdemokraten und Liberale, die unglücklich sind über den Regierungsstil Merkels und die Gelegenheit nutzten, dies anonym, aber wirkungsvoll kundzutun.“

Die liberale Wiener Zeitung “Der Standard“ meint:

“Man wird es niemals wissen, aber eine Kandidatin Ursula von der Leyen (CDU) wäre wohl im ersten Wahlgang zur ersten Bundespräsidentin Deutschlands gewählt worden, zumal sich für sie auch die SPD erwärmen hätte können. Die deutsche Kanzlerin aber setzte stattdessen auf Wulff - nicht weil sie von seinen Qualitäten so überzeugt war, sondern weil sie ihn, ihren allerletzten Konkurrenten, nach Berlin wegloben wollte. (...) Ihr ist das Gefühl für die Stimmung unter den eigenen Leuten verlorengegangen. Jetzt ist sie sehr unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt worden und ihre Autorität ist so schwer angeschlagen wie noch nie zuvor.“

Das der Linkspartei nahestehende "Neue Deutschland" schreibt

"Das Votum von drei Dutzend Bundesversammelten aus Union und FDP gegen den eigenen Kandidaten im ersten Wahlgang hatte allenfalls vordergründig damit zu tun, dass der eine oder andere Gauck vielleicht tatsächlich für einen besseren Präsidenten hielt. Die aufmüpfigen Stimmzettel waren nicht zu seinen Ehren adressiert, es waren gelbe Karten für Merkel und Westerwelle. Nach allem Zoff in der angeblich so gewollten schwarz-gelben Koalition und nach dem Unions-Desaster bei der NRW-Wahl war dies der Tag der Abrechnung. Nicht der Umfang der Dissidenz, aber ihre Grundtendenz war vorhersehbar. Sie hätte sich auch gezeigt, wenn der Gegenkandidat nicht Gauck geheißen hätte."

fro

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