Erdogan: Ukraine und Russland stehen vor einem Schwarzmeer-Getreideabkommen
Mit dem Ukraine-Krieg brachen auch die Getreideexporte des Landes ein. Die Wiedereröffnung von Seewegen über das Schwarze Meer ist nun in greifbarer Nähe.
Rom – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine auf der Zielgeraden: Die beiden Konfliktparteien stehen aus seiner Sicht kurz vor einer Einigung am Verhandlungstisch über die Wiedereröffnung wichtiger Seewege für Getreide-Lieferungen. Das erklärte das türkische Staatsoberhaupt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem italienischen Premierminister Mario Draghi in Rom.
Die Ukraine ist der viertgrößte Getreide-Exporteur weltweit. Im Jahr 2021 produzierte das Land 107 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten, 70 Millionen Tonnen davon wurden exportiert. In Folge des Ukraine-Krieges sind aktuell jedoch alle Schwarzmeer-Häfen blockiert - drei davon befinden sich unter russischer Kontrolle, andere wurden von der ukrainischen Marine vermint. Die Blockade der Schwarzmeerhäfen seit der russischen Invasion verhindert die Verschiffung von Getreide für Ägypten, Jemen und anderen bedürftigen Länder.
Im Kriegsverlauf wurden auch ukrainische Getreidesilos von Russland angegriffen, zudem sollen Vorräte beschlagnahmt worden sein. Die Türkei versucht, eine Einigung zwischen in der Frage der Lieferwege zu vermitteln. Die Regierung in Kiew möchte, dass die Türkei Sicherheitsgarantien für Schiffe gibt, die das Getreide durch das Schwarze Meer transportieren. Bislang waren die Verhandlungen von gegenseitigen Vorwürfen geprägt.

Getreide aus der Ukraine könnte Hungersnot abwenden
„Die Verhandlungen werden fortgesetzt, damit dieses Getreide und das Sonnenblumenöl in die ganze Welt gelangen können“, sagte Erdoğan auf einer Pressekonferenz in Ankara: „In einer Woche oder zehn Tagen werden wir die Gespräche intensivieren und versuchen, zu einem Ergebnis zu kommen.“ Der türkische Staatschef sagte weiter, eine sichere Passage für die Handelsschifffahrt sei wichtig, insbesondere um der bestehenden Getreideknappheit in Afrika zu begegnen. Weil die Importe aus Russland und der Ukraine ausbleiben, erlebt Afrika steigende Preise. Es droht eine Hungersnot.
Draghi erklärte, die Türkei spiele eine zentrale Rolle in dem Plan, der auf dem G7-Treffen der führenden Wirtschaftsnationen Ende Juni von UN-Generalsekretär António Guterres vorgestellt wurde, um der weltweiten Nahrungsmittelknappheit zu begegnen. Dafür wollen die G7-Staat 4,5 Milliarden Euro bereitstellen, um die Lebensmittelmärkte offenzuhalten und die Ukraine bei ihren Exporten zu unterstützen. „Diese Rolle besteht darin, die Sicherheit der Schiffe zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Schiffe keine Waffen transportieren“, sagte Draghi.
Ukraine-Krieg: Abkommen könnte der erste Schritt zum Frieden sein
Der italienische Premier bezeichnete den Plan als „sehr ermutigend“, da er keine Minenräumung in den ukrainischen Häfen erfordere, mögliche Routen bereits identifiziert worden seien und die Arbeitsgruppe eingerichtet worden sei. Das fehlende Element sei „die endgültige Zustimmung des Kremls“, sagte er.
Sollte das Abkommen über die Getreidelieferungen zustande kommen, hätte das auch „einen sehr hohen strategischen Wert“, sagte Draghi auf der Konferenz. Das Abkommen könnte ein Wegbereiter für einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine sein, fügte Draghi hinzu. (Constantin Hoppe)