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Röttgen bei Plasberg zum Ukraine-Krieg: „Ohne die USA sähe es in Europa ganz, ganz anders aus“

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Die Gäste bei „hart aber fair“ am 31.10.2022
Die Gäste bei „hart aber fair“ am 31.10.2022 © Screenshot: ARD / Hart aber fair

Röttgen spricht von Glück, dass während Putins Krieg der US-Präsident Biden und nicht Trump heißt. Die Flüchtlingsfrage sorgt für heftige Diskussionen. 

Köln - Auf der Welt und auch in Europa werden die politischen Führungen vermehrt auf links gedreht – besser gesagt: auf rechts. „In Deutschland haben wir gedacht, sobald Trump weg ist, wird alles wieder normaler. Trump war aber nur Symptom dieses Auseinanderdriftens. Nur, weil er nicht mehr im Weißen Haus ist, ändert sich das nicht.“ Für die TV-Dokumentation „Trump, Biden, meine US-Familie und ich“ drehte Ingo Zamperoni, dessen Frau Amerikanerin ist, gerade in den USA. „Mein Eindruck ist, dass es sogar schlimmer geworden ist und man es auch einfach akzeptiert.“

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hat zwar keine Familie in den USA, reist aber regelmäßig nach Washington, um sich mit amerikanischen Kollegen auszutauschen. „Die Politik bildet die gesellschaftliche Wirklichkeit ab.“ Auch bei einigen US-Senatoren höre Röttgen „den Originalton von Trump“. Zwischen dem deutschen Verständnis von politischer Mitte und den Trump-Anhängern gebe es keine Schnittmenge, was eine Diskussion zwischen beiden nahezu unmöglich mache. „Die Saat, die Trump gesät hat, geht auf“, merkt Zamperoni an.

„hart aber fair“ - diese Gäste diskutierten mit:

US-Journalist Matthew Karnitschnig hat sich bereits häufig gefragt, was im Hinblick auf den Ukraine-Krieg passiert wäre, wenn Donald Trump noch US-Präsident wäre. Sicher ist sich der Europa-Korrespondent des Nachrichtenportals Politico nicht. Aber er hält es für denkbar, dass sich gar nicht viel geändert hätte: „Deutschland hat in den letzten Monaten genau das gemacht, was Trump von Merkel gefordert hat.“

Doch was genau meint Karnitschnig damit? Er nennt das aufgestockte Verteidigungsbudget und glaubt nicht, dass Trump der Ukraine die Unterstützung verweigert hätte. „Ich bin mir jedenfalls nicht so sicher, wie manch ein deutscher Kommentator“, sagt er augenzwinkernd.

US-Journalist bei „hart aber fair“: Putin hätte vor Trump mehr Respekt gehabt

Doch Plasberg dreht den Spieß herum. Er möchte wissen, ob Wladimir Putin den russischen Überfall auf die Ukraine überhaupt angezettelt hätte, wenn Trump noch im Amt gewesen wäre. Der Moderator gibt zu bedenken, dass der russische Präsident möglicherweise zu viel Respekt vor der „Unberechenbarkeit“ seines US-Kollegen gehabt hätte. „Das ist durchaus möglich“, gibt Karnitschnig zu. Die Biden-Administration habe beispielsweise die lange Zeit von seinem Vorgänger angedrohten Sanktionen gegen Russland nicht verwirklicht. „Putin hat dann gemerkt, dass ihn keiner hindert“, sagt Karnitschnig.

Haben Autokraten also mehr Respekt vor Gleichgesinnten als vor Staatschefs von Demokratien? „Trump hatte durchaus Sympathien für Putin“, sagt Susanne Gaschke, „auf der Männerebene verstand man sich gut“. Auch sie denkt, dass es zu einem „Gleichgewicht des Schreckens“ hätte kommen können, wenngleich sie die Einschätzung abgibt, dass die Anhänger Trumps eine Unterstützung der Ukraine nicht gutgeheißen hätten.

Röttgen: USA sind die wichtigste Sicherheitsmacht für Europa

Während Gaschke noch redet, wird Röttgen schon nervös, schüttelt den Kopf und setzt direkt zur Gegenrede an: „Das ist bislang eine überparteilich unterstützte Politik. Trump hat am Anfang versucht, dagegen Opposition zu machen, dann ist es ganz still um ihn geworden. Er hat am Anfang versucht, die Politik Bidens zu attackieren, durchaus in seinem Narrativ ‚america first‘. Die USA unter Joe Biden sind zurückgekehrt als die wichtigste europäische Sicherheitsmacht. Ohne diese USA sähe es in Europa, wo jetzt wieder Krieg ist, ganz, ganz anders aus. Wir Europäer haben so viel Glück, dass Joe Biden gewählt worden ist.“

Auch ist Röttgen sich entgegen seiner Vorredner sicher, wie Trump auf den Krieg reagiert hätte. „Er hätte gesagt: ‚Der Krieg ist in Europa. Ihr seid Europäer und wir sind Amerikaner. Wenn euch etwas an eurem Europa liegt, dann verteidigt es.‘“

Wissenschaftler El-Mafaalani: Krisenzeiten sind Nährboden für Populisten

Populisten feiern auch in Europa immer wieder Erfolge. Plasberg fragt den Soziologen Aladin El-Mafaalani, was „Ego-Shooter wie Erdogan oder Orban“ für Menschen in Demokratien so attraktiv macht, die noch die freie Wahl haben. „Populisten haben es aktuell einfacher als vor einer Weile, dafür gibt es zwei Gründe“, sagt der Hochschullehrer, „eine Gegenwart voller Unsicherheiten und eine Zukunft, die für Horror steht“. Aus diesem Grund entstehe eine Sehnsucht nach „den guten alten Zeiten“. Der zweite Grund sei die Entfernung der politischen Lager an die jeweiligen Ränder, sodass es keine Brücke mehr für eine Diskussion gebe. 

Noch mehr Diskurs gibt es lediglich in der Migrationsfrage. Zamperoni zeigte in seiner Dokumentation, wie viele Mexikaner auf ihrer Flucht in die USA sterben. „Biden hat ein Signal gesendet“, sagt Karnitschnig, „es ist kein Wunder, wenn so viele Menschen kommen, dass manche in der Wüste sterben werden“. Zamperoni ist irritiert: „Biden hat nicht gesagt: ‚Die Grenze ist offen, jetzt kommt alle.‘“ Doch Karnitschnig entgegnet: „So wurde es aber verstanden.“

Letztlich stimmt Zamperoni jedoch zu: „Die Zahlen sagen, dass unter Trump weniger Menschen gekommen und gestorben sind.“ Doch nun knöpft sich Röttgen den US-Journalisten vor. „Welche Botschaft hat Biden ausgesendet?“, fragt er provokant in einem Stil, wie man ihn sich an der Theke in der Gastwirtschaft vorstellt. „Biden hat die Botschaft gesendet, dass die Flüchtlinge gut behandelt und nicht in Käfige gesteckt werden“, antwortet Karnitschnig.

Allerdings muss man gar nicht bis in die USA schauen, um tote Flüchtlinge zu finden. „Das Mittelmeer ist eine extrem tödliche Grenze“, sagt El-Mafaalani, „egal ob Biden oder Trump, oder auch in der EU, die Art und Weise wie das Grenzregime fast aller westlichen Staaten ist, lässt Grenzen zu tödlichen Orten werden“. Das sei allerdings nicht immer so gewesen. Grenzen hätten heute die Funktion, nicht alle Migranten abzuhalten, sondern nur ganz bestimmte. Diesen bliebe dann bloß der Weg über das Meer.

„Wenn man die Grenzen aufmacht, wie in der Ukraine, kommen Frauen und Kinder“, führt El-Mafaalani an. So hätte es auch sein können, wenn die Grenzen wegen des syrischen Bürgerkrieges geöffnet worden wären. Nun wieder Röttgen: „Der Unterschied ist natürlich, dass in der Ukraine die Männer im Krieg sind und ihr Land verteidigen.“ Unterstützung gibt es von Susanne Gaschke: „Und die Ukrainerinnen wollen schnell wieder nach Hause.“ Röttgen betont, dass die Männer aus der Ukraine fliehen könnten, wenn sie es wollten. „Das ist ein Unterschied zu Syrien, denn die jungen Männer hätten auch ihr Land verteidigen können.“

Fazit des „hart aber fair“-Talks vom 31. Oktober 2022

Da war Feuer drin. Eine Kontroverse, die es sich zu Schauen lohnt. In der Frage, wie Biden die US-Politik beeinflusst, was mit Trump anders gewesen wäre, vor allem aber in der Flüchtlingspolitik stoßen verschiedene Auffassungen aufeinander. Beruhigend ist: Die von El-Mafaalani angesprochene „fehlende Brücke“ zwischen den Lagern kann an diesem Abend gebaut werden. (Christoph Heuser)

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