Teils vor den Eingängen und teils auf dem höchsten Aussichtspunkt im Park hatten sich 1860-Fans versammelt und ihrer Mannschaft 90 + X Minuten lang ein wohliges, kaum noch gewohntes Gefühl bereitet. Gesänge, Torschreie, Gehüpfe – das volle Vor-Corona-Programm. Erstmals war Jubel in der 59. Minute ausgebrochen, als Richard Neudecker unten auf dem Rasen das 1:0 gegen Türkgücü erzielte. Ein zweites Mal scharten sich Ultras in der 83. Minute um ihren aufgeklappten Laptop. Adressat war Semi Belkahia, der zum 2:0 (0:0)-Endstand traf. Direkte Sicht aufs Spielfeld hatten nur die wenigsten der geduldeten Zaungäste – umso stärker war der Eindruck, den der Anhang bei den Protagonisten ließ. Trainer und Team genossen den Support – und winkten und klatschten nach dem Schlusspfiff Beifall in Richtung Olympiaberg. „Wir sind riesig von den Fans aus Giesing verabschiedet worden – mit toller Pyro“, schwärmte 1860-Coach Michael Köllner: „Auch während des Spiels haben wir die Fans lautstark gehört. Deswegen wollten wir Danke sagen und schöne Grüße auf den Berg hochschicken.“
Power vom Berg, Ansporn durch die Tabelle, wo 1860 dem Spitzentrio auf die Pelle rückt – für den Rest an Motivation hatte der Gegner gesorgt, der via BR auch noch spezielle Grüße abbekam. Insbesondere Sascha Mölders, am Samstag zweifacher Torvorbereiter, wirkte angepiekst – und wandte sich gallig an Max Kothny, den nassforschen Geschäftsführer von Türkgücü. „Mich stört das schon seit Monaten“, lederte der Löwen-Kapitän los: „Der Sportkamerad Kothny hat gesagt, Türkgücü will 1860 München ablösen. Dazu kann ich nur eine Sache sagen: Selbst wenn 1860 eines Tages mal Kreisliga C spielen sollte – mit dieser Wucht, die dieser Verein hat, dieser Fanbase und allem, was drumherum ist, ist es unmöglich, dass 1860 von irgendjemand in München abgelöst wird. Für mich ist es unerklärlich, so eine Aussage zu treffen. Er (Kothny) würde gut daran tun, sich um seine eigene Mannschaft zu kümmern.“
Die Verantwortlichen von Türkgücü haben uns ja so eingestuft, dass wir vorne nichts verloren haben – und dass es bessere Mannschaften gibt. Das nehmen wir so an.
Rumms, das saß. Und auch aus Köllner sprach Genugtuung, als er auf der Pressekonferenz zu aktuellen Kothny-Äußerungen Stellung bezog, ungefragt und erfrischend undiplomatisch. „Die Verantwortlichen von Türkgücü haben uns ja so eingestuft, dass wir vorne nichts verloren haben – und dass es bessere Mannschaften gibt. Das nehmen wir so an“, sagte Köllner und verlieh seiner Freude Ausdruck, dass 1860 weiterhin auf der Überholspur ist (vierter Sieg in Folge). Gefragt, wie er die Lage im Aufstiegskampf bewerte, sagte er mit einem Grinsen: „Die Lage ist nicht hoffnungslos . . .“
Und während Köllner dem „hammerharten“ Heimspiel gegen Köln entgegenfiebert (morgen, 19 Uhr), war Kothny damit beschäftigt, seine Aussagen einzuordnen – vorausgegangen war ein Shitstorm bei Instagram, von dem er Auszüge veröffentlichte, die geposteten Hassmails aber später wieder löschte. Zur Rivalität mit 1860 sagte er, es sei falsch verstanden worden, dass Türkgücü „mittelfristig die Nummer zwei der Stadt“ werden wolle: „Sportlich ist es immer unser Anspruch, so gut wie möglich da zu stehen, und das habe ich auch stets betont.“ Aber, stichelte er auf Nachfrage unserer Zeitung weiter: „Infrastrukturell können wir gar nicht vor Sechzig stehen, da wir keine günstige Erbpachtfläche von der Stadt haben. Auch fehlen uns die Mitglieder – da haben wir ja noch 70 Jahre zum Nachholen. Mit den Voraussetzungen, die Sechzig hat, sollten sie nicht in der 3. Liga stehen, sondern ihren Anspruch viel weiter oben sehen. Es freut mich, dass wir sportliche Reize setzen konnten.“
Konnte er. Die Bewerbung zum „Giesinger Staatsfeind Nummer eins“ ist angekommen. Der Boden für das nächste Duell wäre bereitet. Es liegt nun an Köllners Seriensiegern zu verhindern, dass diese Wiedersehen in der 3. Liga stattfinden wird. Erfreulicher Ergebnis-Nachschlag am Sonntag: Durch das 0:0 des FC Ingolstadt gegen Meppen können die Löwen den Aufstieg jetzt wieder aus eigener Kraft schaffen.