Niederlechner im Interview: "Haching hat den Aufstieg verdient"

Florian Niederlechner (26) ist spät im Profifußball durchgestartet – dafür holt der Ex-Hachinger beim SC Freiburg nun Versäumtes im Schnelldurchgang nach. Diese Saison steht er schon bei fünf Toren.
Im Interview erklärt der gebürtige Ebersberger, warum er der SpVgg alles zu verdanken hat und welche Ziele er im Duell mit Bayern am Freitag anpeilt.
Herr Niederlechner, Sie spielten für Hohenlinden, den TSV 1860, Ebersberg, Markt Schwaben, Ismaning, Haching – wie viele Überschneidungen gab es mit dem FC Bayern?
Mit 1860 in der Jugend habe ich mal gegen Bayern gespielt, sonst nie. Ich war auch nur kurz bei den Löwen, und danach sah es so aus, als würde ich nie wieder in meinem Leben gegen die Bayern spielen.
Bayern-Angebote gab es schon gleich gar nicht?
(lacht) Nein, kein Gedanke. Die waren eine Nummer zu groß für mich. Nicht nur eine Nummer, um ehrlich zu sein.
Wie lautet denn dann Ihre Bilanz gegen Bayern?
In der ersten Mannschaft haben wir mit Haching mal in einem Freundschaftsspiel gegen sie verloren. Aber das Spiel am Freitag ist jetzt mein erstes richtiges Duell mit den Bayern. Bei Mainz saß ich letztes Jahr nur auf der Bank.
Mit 21 Jahren spielten Sie noch mit dem FC Ismaning in der Bayernliga – sind Sie ein Spätstarter?Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, so einen Weg wie ich in den Profifußball gemacht habe, wird es nicht mehr so oft geben. Heute werden die meisten ja doch früh entdeckt und gefördert, und ich habe mit 16, 17 noch in der Kreisliga in Milbertshofen auf roter Erde gespielt oder auf Kunstrasenplätzen, die härter als jeder Hallenboden waren. Für mich war das normal, einfach Fußballspielen, und nebenher eine Ausbildung machen. Es ist schon kurios, wie es bei mir gelaufen ist – und dass ich jetzt in der Ersten Liga spiele, da war auch Glück dabei.
Sie hatten den Traum, Profi zu werden, schon komplett abgehakt.
Ja. Als Kind hatte ich natürlich den Traum. Aber als ich mich bei 1860 nicht durchsetzen konnte, war das komplett weg. Ich spielte dann Landesliga bei Markt Schwaben, hatte Übergewicht und keinen einzigen Gedanken mehr an Profifußball. Das war völlig abgehakt. Aber als ich in der Bayernliga bei Ismaning dann plötzlich viele Tore gemacht habe und Haching begann, verstärkt auf Junioren zu setzen, war es meine Chance. Da hatte ich in Manfred Schwabl und Manuel Baum Leute, die total auf mich gebaut haben.
-Können Sie sich erinnern, was der Hachinger Präsident Schwabl als Erstes zu Ihnen gesagt hat?
Wir haben ein spezielles Verhältnis. Sein Sohn Markus ist einer meiner besten Freunde, ich habe oft bei ihnen zuhause übernachtet . . . er sagte als Erstes: „Flo, wenn du hier in der Dritten Liga was reißen willst, musst’ abspecken!“
Genau genommen sagte er: „Du musst fünf Kilo abnehmen, sonst machst du uns hier bloß den Rasen kaputt . . .“
(lacht) Ja, genau – so ist der Manni. Er hat immer einen guten Spruch, der witzig ist, in dem aber auch Wahrheit steckt. Ich hatte ja tatsächlich Übergewicht, ich habe ja ganz normal gelebt bis dahin, habe in der Arbeit meinen Kaffee getrunken, habe zwei, drei Mal die Woche trainiert, bin am Wochenende mit meinen Kumpels feiern gegangen – alles wie ein normaler Mensch, fern von jedem Profidasein. Ab und zu muss ich mich kneifen, es ging sehr schnell. Fußball ist ein Auf und Ab.
Freiburgs Coach Christian Streich lobt Sie, Sie seien keiner, der lange Zeit braucht. Doch der SC spielt ein anspruchsvolles System – wie lange haben Sie gebraucht, um drin zu sein?
Es lief alles so, wie ich es mir gewünscht habe. Herr Streich wollte mich ja schon früher, als ich bei Heidenheim war. In Freiburg kannst du dich als Stürmer nicht vorne aufhalten und mal spekulieren. Auf die Arbeit gegen den Ball wird brutal Wert gelegt. Wie wir marschieren, ist auch wirklich phänomenal – nur mit so viel Einsatz kannst du als SC Freiburg Punkte einfahren.
Inwieweit gibt es Parallelen zu Hachings System? Offensiv nach vorne war auch da das Motto.
Das kann man schon vergleichen, da Manuel Baum und Christian Streich Trainer sind, die beide viel Wert aufs Fußballerische legen. Ich bin da auch mal gespannt, was Herr Baum in Augsburg so schafft. Spielerisch waren wir bei Haching immer gut dabei. Natürlich ist das Niveau zwischen Erster und Dritter Liga aber noch mal ein anderes.
Wie intensiv ist der Kontakt zur SpVgg – es gibt einen Austausch von Handynachrichten mit Schwabl, wie man hört.
Ja, und wenn einer den Geburtstag des anderen vergisst, kommt gleich ein Fragezeichen als Nachricht. Ich komme immer wieder gerne zu den Spielen. Was ich Haching zu verdanken habe, kann man gar nicht in Worte fassen. Ohne Haching wäre ich nie Profifußballer geworden.
Schwabl sagt über Sie, Sie seien ein typischer bayerischer Sturschädel. Hat er damit Recht – und was meint er damit?
Vielleicht meint er da eine Geschichte, als ich mal nicht spielen durfte. Da bin ich sofort zu ihm hin und habe gegrantelt: „Das geht nicht mit dem Trainer, den müssen wir rauswerfen.“ Es war aber so halb im Spaß gemeint, in Haching ist ja alles so familiär. Wir lachen heute noch über diese Geschichte.
Wie schwer fällt denn die Verständigung mit den Kollegen in Freiburg – brauchen die ein Bayerisch-Wörterbuch?
Mein Hochdeutsch ist schon besser geworden. Aber wenn ich mich selber höre oder sehe bei Interviews, denke ich mir schon, dass das ein bisserl gestelzt klingt. Ich krieg’ dann auch gleich SMSe von zuhause von den Spezln. Aber natürlich ist alles im Rahmen. Wenn mein Bruder zu Besuch ist, haben die Kollegen freilich keine Chance.
Janik Haberer ist auch ein Hachinger, der durchstartet. Sind Sie beide ein Zeichen, wie gut die Jugendarbeit der SpVgg ist?
Ich habe jetzt schon mehrfach gelesen, wie viele Hachinger in der Zweiten und Ersten Liga spielen – wenn man die alle in eine Mannschaft stecken würde, hätte man eine ganz ordentliche Truppe beieinander. Haching macht eine überragende Arbeit, da kann man nur den Hut ziehen. Wenn sie in die Relegation kommen, werde ich im Stadion mitfiebern. Sie haben es schon lange verdient, für ihre Arbeit belohnt zu werden. Haching muss wieder in die Dritte Liga.
„Haching hat den Aufstieg verdient“
Ihr Kollege Nils Petersen sagt: „Der Flo spielt echt eklig.“ Was meint er?
Ich bin ein Mentalitätsspieler, gebe für die Mannschaft immer alles. Ich versuche es immer und immer wieder. Mein Gegenspieler kann sich nie ausruhen, ich will immer sofort den Ball erobern.
Sie sagten mal „Ich bin kein Lewandowski“ – werden Sie noch einer?
<p>Ich habe jetzt fünf Tore, die geben Selbstvertrauen. Auch ein Lewandowski verbläst mal eine große Chance.</p>
Werden Sie im Duell mit den Bayern versuchen, sich etwas von Lewandowski abzuschauen?
Auf gar keinen Fall, dafür habe ich in so einem Spiel ja gar keine Zeit. Im Fernsehen achte ich schon auf ihn. Aber am Freitag habe ich andere Ziele. Minimum ist ein Punkt. Die letzten Jahre haben gezeigt, in Freiburg ist immer was möglich, wenn wir bis an die Kante gehen, wenn wir nerven. Das können wir, das hat gegen Leverkusen und Schalke auch funktioniert. Die Bayern haben Leipzig im Genick, sie werden bissig sein. Aber wir müssen einfach alles raushausen, was geht. Dann ist was drin. Ich bin optimistisch.
Das Gespräch führte Andreas Werner