"Selbstanzeige gehört abgeschafft"
Hoeneß-Affäre: Politiker fordern Konsequenzen
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Berlin - Die neuen Enthüllungen in der Steueraffäre von FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß befeuern auch die politische Debatte über mögliche Konsequenzen.
Hoeneß war nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch) im März vorläufig festgenommen worden. Gegen den 61 Jahre alten Fußball-Manager und Wurstfabrikanten habe ein Haftbefehl vorgelegen, der dann außer Vollzug gesetzt wurde. Dies bestätigten Justizkreise der dpa. Hoeneß hat laut „SZ“ eine Kaution in Millionenhöhe hinterlegt.
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erwartet volle Aufklärung der Vorwürfe nach Recht und Gesetz. „Hoeneß hat für den deutschen Fußball viel erreicht“, sagte der CSU-Politiker und Sportminister am Mittwoch in Berlin. „Diese Verdienste bleiben.“ Er fügte aber hinzu: „Wir akzeptieren keine Steuerhinterziehung.“ Falls sich die Vorwürfe gegen Hoeneß als richtig herausstellten, „ist es nicht in Ordnung. Und da muss er auch so behandelt werden wie jeder Bürger. Nicht schlechter, nicht besser. Dafür haben wir Gesetze, und die Gesetze gelten.“
Zur Frage, ob Hoeneß weiter als Präsident des Vereins tragbar sei, wollte sich Friedrich nicht äußern. Auch eine mögliche Belastung des Wahlkampfes der CSU durch die Affäre Hoeneß, dem gute Beziehungen zu CSU-Politikern nachgesagt werden, sieht der Minister nach eigenen Angaben nicht: „Das ist alles Unfug.“
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat in eine umfassende Aufklärung gefordert. Der Fall müsse so untersucht werden „wie bei jedem anderen auch. Kein Prominenten-Bonus, aber auch kein Prominenten-Malus“, sagte Steinbrück im ARD-„Morgenmagazin“ am Mittwoch. Auf die Frage, ob Hoeneß zurücktreten oder seine Ämter ruhen lassen solle, sagte er: „Das muss er selber entscheiden, das muss er abwägen mit Blick auf die Verfehlungen, eventuell sogar die Straftaten, die er begangen hat.“
Trittin glaubt an "dringenden Tatverdacht"
„Dass ein Haftbefehl gegen Hoeneß erlassen wurde, zeigt, dass die Staatsanwaltschaft von einem dringenden Tatverdacht und einer erheblichen Schwere der Schuld ausgeht“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch). Er äußerte sich kritisch zur strafbefreienden Selbstanzeige. Diesen Weg hatte auch Hoeneß gewählt. „Eine Strafbefreiung mag in geringfügigen Fällen ein sinnvolles Instrument zur Bürokratievermeidung sein“, sagte Trittin. Sie sei aber bei einer Steuerhinterziehung von einer Million Euro oder mehr fragwürdig. „Eine Strafbefreiung widerspricht in solchen Fällen jedem Gerechtigkeitsgefühl.“
Bushido: "Kopf hoch, Herr Hoeneß" - Reaktionen auf Hoeneß' Selbstanzeige
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Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger forderte in der „Passauer Neuen Presse“: „Hoeneß muss sein Amt sofort ruhen lassen. Alle politischen Seilschaften im Fall Hoeneß müssen jetzt ans Licht.“ Riexinger weiter: „Alles sieht danach aus, als ob wir es hier mit einem schwarzen Steuerfluchtnetzwerk zu tun haben.“ Hoeneß solle auch der bayerische Verdienstorden entzogen werden, verlangte Riexinger.
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sagte der Zeitung: „Die strafbefreiende Selbstanzeige ist nicht mehr zu rechtfertigen. Gegen Steuerkriminelle sollte mit der gleichen Härte vorgegangen werden wie gegen andere Kriminelle.“
"Selbstanzeige gehört abgeschafft"
Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner forderte in der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch): „Die Selbstanzeige gehört abgeschafft.“ Eine Selbstanzeige solle künftig nur noch strafmildernde Wirkung haben, ähnlich wie ein Geständnis in Strafermittlungen oder in Prozessen. Damit stellte sich der SPD-Linke gegen Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der zuvor am Instrument der Selbstanzeige festgehalten hatte.
Der schleswig-holsteinische FDP-Landtagsfraktionschef und Steueranwalt Wolfgang Kubicki sieht kein Risiko für Hoeneß, erneut festgenommen zu werden. „Ich kann mir momentan praktisch keinen Fall vorstellen, wo der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt werden kann“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Dieser sei wahrscheinlich auf Fluchtgefahr gestützt gewesen.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte „Spiegel Online“, in Deutschland werde Steuerbetrug konsequent geahndet. „Aber die internationale Zusammenarbeit muss besser werden.“ Man müsse mehr Transparenz beim Austausch von Steuerdaten mit anderen Ländern erreichen.
„Steuern zu hinterziehen, ist nicht nur strafbar, sondern im Sinne der Verantwortung für eine solidarisch organisierte Gesellschaft auch zutiefst unmoralisch“, sagte die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. „Wer betrügt, darf sich nicht länger über Landesgrenzen hinweg sicher fühlen können. Alle sind vom dem Gesetz gleich. Einen Promi-Bonus darf es ebenso wie einen Promi-Malus nicht geben.“
Ob Hoeneß Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern AG und Präsident des Vereins FC Bayern bleiben kann, „entscheiden in erster Linie die Mitglieder - und vor allem er selbst“, sagte Dagmar Freitag. Martin Gerster, der sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, ist sich sicher, dass Hoeneß die Affäre nicht unbeschadet überstehen wird. „Ich vermute, dass sich Hoeneß nicht im Amt des Präsidenten halten kann. Ich bin enttäuscht und überrascht: Seine Glaubwürdigkeit hat zu sehr gelitten“, meinte Gerster.
Ähnlich sieht es die sportpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Viola von Cramon. „Ich denke, die Glaubwürdigkeit eines Managers, der höhere moralische Ansprüche an andere stellt, die er selbst nicht erfüllt, ist arg ramponiert. Ich bin die Letzte, die den Rücktritt fordert. Aber ich glaube, er ist intelligent genug, um zu wissen, was die Konsequenzen sein sollten.“
Rücktrittsforderungen sollten aber nicht aus der Politik kommen. „Das muss er selbst mit seinem Verein ausmachen.“ Wenn man einen Vereinspräsidenten habe, „der offensichtlich ein Steuerbetrüger ist und da offensichtlich nicht nur mit kleinen Summen, sondern mit Summen jongliert hat, die außerhalb unseres Vorstellungshorizonts liegen, ist die Frage, wie lange sich die Sponsoren das anschauen. Ich glaube schon, dass dies Folgen haben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hoeneß das lange durchhält.“
CDU/CSU-Sprecher Klaus Riegert hielt die Verdienste von Hoeneß für den deutschen Fußball dagegen, meinte aber: „Er ist kein gutes Vorbild für den Steuerzahler, keine Frage. Aber ich sehe das nicht in erster Linie als sportpolitisches Thema.“
Viola von Cramon findet es interessant, „wenn jemand, um der Strafverfolgung zu entgehen, Selbstanzeige erstattet, um dann zwei Wochen später einen Haftbefehl zu erhalten. Da tun sich Abgründe auf“, sagte die Grünen-Politikerin.
dpa