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Bauermann: "Man entwickelt eine Elefantenhaut"

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Bauermann hat das nächste Etappenziel im Blick: es lautet Playoff-Platz. © dpa

München - Die "Roten Riesen" haben sich in der Bundesliga etabliert. Coach Dirk Bauermann spricht im großen tz-Interview über Kritik, Auslands-Erfahrung und Spielerauswahl.

Herr Bauermann, das Projekt Bayern ist fast zwei Jahre alt. Haben Sie diese Entwicklung erwartet?

Dirk Bauermann: Als wir begonnen haben, konnte man nicht erwarten, dass das Ganze so gut funktioniert und vor allem so gut angenommen werden würde. Die Mannschaft musste sich in der vergangenen Saison durch diese unheimlich schwere, zweite Liga kämpfen und hat sich am Ende durchgesetzt. Das erfüllt mich schon mit Genugtuung.

Gab es Momente, in denen Sie gezweifelt haben?

Bauermann: Am Anfang habe ich sehr gründlich überlegt, ob ich als Bundestrainer das Risiko, eine Zweitliga-Mannschaft zu trainieren, eingehen darf. Es bestand ja durchaus die Möglichkeit des Scheiterns und das hätte ganz klar die Position des Nationaltrainers beschädigt.

Dazu ist es nicht gekommen, was waren die schönsten Momente?

Bauermann: Da gibt es eine Menge: Die ProA-Meisterschaftsfeier mit den Fans war toll. Und das erste Spiel im Audi Dome gegen Fenerbahce war ein ganz besonderer Augenblick: Da war jedem klar: Jetzt geht es auf die nächste Ebene.

Bis es so weit war, gab es trotzdem einige Probleme. Welche waren die größten?

Bauermann: Ich glaube, am problematischsten war es in der vergangenen Saison für die Spieler, die bisher nur in der Bundesliga gespielt hatten. Sie mussten auch in der zweiten Liga immer gute Leistungen anbieten und durften auswärts in zum Teil kleinen Hallen, nicht sagen: „Was mache ich eigentlich hier, warum habe ich mir das angetan?“ Sie mussten mit einer positiven Grundeinstellung dafür kämpfen und arbeiten, dass es funktioniert. Da muss man der Mannschaft, den Nationalspielern wirklich ganz viel Lob und Anerkennung dafür zollen.

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Wie haben Sie die Spieler überzeugt, genau das zu tun?

Bauermann: Das Interessante ist, dass ich keinen überzeugen musste, sondern, dass die Spieler eher darauf gewartet haben, dass ich sie anrufe. Ein Steffen Hamann oder ein Demond Greene waren froh, als ich sie gefragt habe. Viele Profis sind ja nicht die Abzocker, die für ein Jahr irgendwo hingehen, möglichst viel Geld mitnehmen und dann den nächsten, deutlich höher dotierten Vertrag abschließen. Viele interessieren höhere Dinge: Sie wollen Meister werden und an etwas Besonderem teilhaben. Dafür gibt es im Profisport nicht viele Möglichkeiten. Und so sind Spieler wie Jan-Hendrik Jagla vor dieser Saison mehr auf uns, auf mich zugekommen, als umgekehrt. Weil sie dieser Verein, dieser Name, dieser Mythos fasziniert.

Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung? Wo steht Bayern?

Bauermann: Ich glaube, wir sind genau die Bereicherung für die Liga, die sich alle versprochen haben. Unsere Spiele sind immer beinahe oder total ausverkauft, die Einschaltquoten im TV sind um 20 Prozent höher als im letzten Jahr, das hängt natürlich auch mit uns zusammen. Deshalb sind wir das Zugpferd, das dieser Liga guttut, das sie braucht, um sich weiterzuentwickeln.

Sie sind der erfolgreichste Basketballtrainer Deutschlands. Begonnen hat Ihre Karriere in den USA in Fresno, Sie trainierten von 1986 bis 88 mit Ron Adams das College-Team.

Bauermann: Meine Arbeit als Assistenztrainer in Fresno war der erste Meilenstein meiner Karriere. Das war eine ganz wichtige Zeit, in der ich unglaublich viel gelernt habe.

1989 wurden Sie als erst 31-Jähriger Cheftrainer in Leverkusen, damals eine der erfolgreichsten Basketball-Mannschaften Deutschland...

Bauermann: Richtig, mit Bayer Leverkusen konnte ich sieben Meisterschaften hintereinander gewinnen und spielte sechs Jahre Europaliga. Das war für mich als junger Trainer ein unglaublicher Erfolg - es war ja gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass das so gut funktionieren würde.

Trotzdem gab es viel Gegenwind von der Presse. Wie sind Sie damit umgegangen?

Bauermann: Als junger Trainer bin ich nicht gut mit so etwas zurechtgekommen. Die häufig mangelnde Fairness hat mich damals sehr getroffen. Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Im ersten Jahr haben alle gesagt: "Wie können die einen jungen, deutschen Trainer verpflichten? Das wird doch sowieso nichts!" Dann sind wir Meister und Pokalsieger geworden und ich dachte: Jetzt hast du dich durchgesetzt. Ich erinnere mich an eine Schlagzeile nach diesem Erfolg, die lautete: „Eintagsfliegen haben auch eine Existenzberechtigung.“ Damals habe ich mich gefragt: Wie gemein kann denn einer sein? Mittlerweile lasse ich diese Dinge nicht mehr an mich heran. Mit der Zeit entwickelt man in dem Job so etwas wie eine Elefantenhaut.

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Sie haben 1999 und 2001 in Griechenland trainiert...

Bauermann: Griechenland war, wenn man auf das Ergebnis schaut, nicht gut - ich bin dort zwei Mal entlassen worden. Wenn man aber etwas genauer hinsieht, dann bin ich bei Dafni Athen aufgrund eines schwerwiegenden Konfliktes mit dem Präsidenten, der einen verletzten Spieler feuern wollte, entlassen worden. Ich war der Meinung, dass man so nicht mit einem Spieler umgeht. Die Station davor war Apollon Patras. Dort war es ähnlich: Wir waren Tabellenzweiter. Dann wurde ein neuer Sportdirektor verpflichtet, der mich vor die Wahl stellte, meinen Assistenztrainer, der wie heute Yannis Christopoulos war, zu feuern, oder selbst zu gehen. Da war für mich klar, dass ich niemals Yannis opfern würde, um selber an meinem Posten zu kleben. Wer glaubt, dass es mit der Presse in Deutschland schwierig ist, der soll mal nach Griechenland gehen. Da gibt es etwa zwölf, tägliche Zeitungen. Jeder kann sich wohl vorstellen, was die erfinden, nur um Zeitungen zu verkaufen. Aber es hat mir großen Spaß gebracht, als Deutscher im Süden zu leben, die Mentalität der Menschen kennenzulernen.

Es folgten 2005 und 2007 zwei Meistertitel in Bamberg, und Sie trainierten die deutsche Nationalmannschaft...

Bauermann: Als ich nach Bamberg kam, war das Team ein Abstiegskandidat. Am Ende waren wir zwei Mal Meister geworden, hatten zwei Jahre Europaliga gespielt. Die Nationalmannschaft war für mich auch sehr wichtig. Wir haben 2005 die EM-Silbermedaille gewonnen, gute Europa- und Weltmeisterschaften gespielt und uns 2008 für Olympia qualifiziert: Das war eines meiner größten Erlebnisse als Trainer.

Kann man Trainersein lernen, oder wird man als einer geboren?

Bauermann: Man muss das Talent haben. Es gibt die unterschiedlichsten Trainercharaktere, aber ich denke, dass ein wenig Charisma hilft, wenn man andere für etwas begeistern kann,  und wenn man selber eine starke, emotionale, motivationale Kraft hat. Und man benötigt ein gutes Gespür für Menschen.

Besonders wenn es um die Team-Zusammenstellung geht?

Bauermann: Es stimmt, bei der Auswahl der Spieler ist für mich das Menschliche ähnlich wichtig wie das Basketballerische. Ich würde nie einen Spieler verpflichten, von dem ich weiß, das ist kein guter Typ, das ist quasi ein fauler Apfel, der nur Probleme macht und Gefahr läuft, das Team zu infizieren.

Wie wählen Sie aus?

Bauermann: Zum einen geht es über die eigenen Netzwerke.

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Bauermann gibt am Spielfeldrand immer 100 Prozent - das erwartet er auch von seinen Spielern. © sampics

Ich versuche immer, mit mir bekannten Trainern zu reden und herauszufinden: Was ist das für ein Junge? Außerdem versuche ich immer, ein Vier-Augen-Gespräch zu führen. Auf München gemünzt muss man sagen "Wir", Marco Pesic und ich. Marko hat ebenfalls ein hervorragendes Netzwerk und ein noch besseres Auge. Und  ich will den Spieler immer live spielen sehen. So sieht man nicht nur, ob er den Ball in den Korb wirft oder nicht, sondern auch, wie er sich verhält.

Wie sehr schmerzt es dann, einen Spieler gehen lassen zu müssen, den man gern hat?

Bauermann: Das ist mir zum Glück noch nicht passiert. In den ganzen 22 Jahren haben wir uns noch nie von einem guten Jungen getrennt, nur weil er schlecht gespielt hatte, oder lange verletzt war. Nach der Saison, wenn ein Vertrag ausläuft und man sich aus sportlichen Gründen gegen ihn entscheiden muss, dann tut das immer weh - überhaupt keine Frage. Aber man muss sagen: Das hier ist ein hartes Geschäft. Wenn es nicht reicht, dann muss man eben auch so entscheiden.

Am Spielfeldrand können Sie auch laut werden, nach außen fällt nie ein schlechtes Wort. Ist das Ihr Credo?

Bauermann: Die Amerikaner nennen es: einen Spieler unter den Bus schmeißen. Das würde ich nie machen. Es gehört zu meinem Credo zu sagen: Wir haben dieses Verständnis einer Familie in der Mannschaft. Und wie bei jeder Familie gibt es Konflikte und Probleme, aber wir lösen sie intern, gehen dort hart und unmissverständlich damit um. Aber öffentlich - nein, das mag ich nicht.

Inwiefern findet auch ein Austausch mit den Spielern statt?

Bauermann: Ich bin natürlich verantwortlich für die taktische und strategische Ausrichtung der Mannschaft. Trotzdem ist es wichtig, das Gespräch mit den Spielern auch über basketballerische Inhalte zu suchen. Aus zwei Gründen: Zum einen bildet so etwas Wertschätzung ab. Man zeigt ihnen damit, dass man ihre Meinung sehr respektiert. Zum anderen fördert so etwas die Motivation. Wenn ich mit Demond Greene spreche und ihn frage: "Wie willst du ihn verteidigen?" Und er sagt:",Lass es mich so und so machen." Dann ist das natürlich die beste Motivation. Wenn etwas von dir selber kommt, dann bist du noch einmal mehr in der Verantwortung, dass es auch funktioniert.

Interview: Lena Meyer

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