"Vielleicht ist Freitag die Wundertüte"
Vierschanzentournee-Interview: Hannawald verrät seine Favoriten
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Oberstdorf - Skisprung-Legende Sven Hannawald zählt bei der heute in Oberstdorf beginnenden Vierschanzentournee einen deutschen Starter zu den großen Favoriten auf den Gesamtsieg: das Interview mit dem Münchner Merkur.
Er war der letzte deutsche Gewinner der Vierschanzentournee. 2001/02 feierte Sven Hannawald seinen historischen Grand Slam. Heute sucht der Münchner sein Glück unter anderem im Motorsport. Die Skisprung-Szene hat der 41-Jährige freilich immer noch fest im Blick, wie er im Interview erklärt.
Hannawald: Das sind die Tage, in denen du vor allem versuchst abzuschalten, mit der Familie, der Freundin. Denn danach kommen so viele Einflüsse – das ist ein ziemlich großes Paket, das man zu tragen hat. Ansonsten kommt es natürlich auch immer darauf an, wie es vorher gelaufen ist. Ein Peter Prevc wird sich jetzt vermutlich nicht viele Gedanken machen. Severin Freund wird ein paar klärende, beruhigende Gespräche geführt haben, um Zweifel wegzureden.
Hannawald: Es ist eben ein Unterschied. In den ersten Springen gibt es keinen Druck, die Tournee ist das erste Highlight. Da kommen Einflüsse von außen, Pressekonferenzen, andere Verpflichtungen. Leute, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte, haben das nicht und gehen möglicherweise mit mehr Energie ran.
Vierschanzentournee: Hannawald über seine Favoriten
Hannawald: Die gibt es natürlich. Vielleicht ist Richard Freitag die Wundertüte, vielleicht Andi Wellinger, vielleicht Domen Prevc. Sie alle haben doch schon gezeigt, dass sie Qualität mitbringen. Nein, aber in diesem Jahr liegt es schon sehr nahe, dass Peter Prevc und Freund einen Zweikampf haben werden. Ich denke auch, dass die Norweger sehr stark sein werden. Prevc, Freund und die Norweger sind jedenfalls die, die sich jetzt erst einmal die wenigsten Gedanken machen müssen.
Hannawald: Er ist einfach wieder einen Schritt weiter. Severin hat Erfahrungen gesammelt, hat bewiesen, dass er mit Druck umgehen kann. Ob es reicht, das muss man abwarten. Bei mir war es so, dass ich bei der Tournee eigentlich meistens besser war als sonst, ich habe da eine Liebe entwickelt. Aber auch das kann man nicht beeinflussen. Man muss einfach ruhig bleiben, man kann eine Tournee einfach nicht planen.
Hannawald: Genau. Severin ist Druck und Einflüsse von außen ein bisschen gewöhnt und kann damit umgehen. Aber zur Tournee gibt es nichts Vergleichbares. Da kannst du 90 bis 95 Prozent darauf hinarbeiten. Der Rest muss passieren. Selbst ein Gregor Schlierenzauer hat dreimal darauf hingearbeitet, bis er die Tournee endlich gewonnen hat.
Hannawald: Da wird jetzt viel geschrieben, und vieles geht in eine Richtung wie damals bei mir. Aber ich finde, da muss man vorsichtig sein. Er hat offenkundig Schwierigkeiten, den Kampfgeist zu entwickeln. Aber das ist nachvollziehbar, der Junge hat jetzt schon gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Das hat bei so einem Athleten zwei Seiten: es ist einerseits schön, andererseits stellt sich die Frage, was noch kommen soll. Da sind Motivationsprobleme normal.
Hannawald: Man kann darüber spekulieren, ob es – wenn vielleicht auch noch interne Querelen dazukommen – nicht besser wäre, sich mal eine Zeitlang auszuklinken. Aber das ist alleine seine Entscheidung. Ich freue mich, wenn ich ihn sehe, aber ich verstehe, wenn er wegbleibt.
Hannawald: Letztlich kann ihn jeder Springer schaffen. Auch das ist etwas, was nicht planbar ist. Da geht es auch darum, wie man mit den äußeren Umständen zurecht kommen. Der Sieger von Oberstdorf wird möglicherweise staunen, was da auf ihn zukommt. Mit was für einem Druck er sich auseinandersetzen muss. In Garmisch, in Innsbruck, wo du dann meinst: Schlimmer kann es nicht mehr werden. Dann wachst du in Bischofshofen auf und merkst, dass noch einmal eine Schippe draufgekommen ist. Letztlich hoffe ich immer, dass es nochmal ein Jahr gut geht. So wie das auch mit den Schanzenrekorden war. Aber ich bin keiner, der für den Rekord das Profil von den Schuhen radiert. Wenn es passiert, bin ich der Erste, der gratuliert.
Interview: Patrick Reichelt