Update vom 7. Juni, 19.53 Uhr: Bei einem der festgenommenen Verdächtigen handelt es sich nach Bild-Informationen um den 42-jährigen Enrico L. aus dem brandenburgischen Finowfurt in der Gemeinde Schorfheide (Artikel hinter einer Bezahlschranke). Der Mann soll selbst dreifacher Familienvater sein, wie seine Ehefrau arbeite er im Schichtdienst.
Auf die Spur von L. kam die Polizei demnach unter anderem durch die Hinweise eines zehnjährigen Opfers. Zudem sollen die Ermittler im Auto des Hauptverdächtigen Adrian V. auf die Adresse des Brandenburgers gestoßen sein. Augenzeugen hätten das Auto von V. in der Nähe von Schorfheide gesehen. Entscheidend sei aber wohl gewesen, dass L. auf einem der in Münster gedrehten Videos erkennbar sei.
L. führt als Vorsitzender einen Kleingartenverein, ob in der dortigen Anlage ebenfalls Aufnahmen von Schandtaten an Kindern gemacht wurden, ist der Bild zufolge nicht bekannt. Allerdings habe der Brandenburger neben seiner Holzbaracke seit einiger Zeit an einem „massiven Rohbau samt massiver Eisentür“ gebaut. Wofür dieses Gebäude genutzt werden sollte, will man sich gar nicht vorstellen.
In der Münsteraner Kleingarten-Kolonie soll V. derweil leichtes Spiel gehabt haben. So sei die von ihm genutzte Gartenparzelle, die einst seine Oma und nun seine Mutter bewirtschaftete, die zweite neben dem Haupteingang. Entsprechend war der Weg, um andere Kinderschänder, die Opfer oder verdächtige Gegenstände anzuschleppen, verhältnismäßig kurz.
Für die perfekte Ausstattung, um die grausamen Taten verbreiten zu können, sorgte V. laut Bild in Eigeninitiative. So habe er die gesamte Gartenanlage mit stabilem und leistungsfähigem Internet ausgestattet. Auf dem Gelände sind mehrere hohe Masten mit Empfängern verteilt.
Wegen seiner IT-Vorliebe, die er deutlich offener auslebte als sei dunkles Geheimnis, schöpfte andere Kleingarten-Betreiber trotz der immensen Technikausstattung seiner Laube keinen Verdacht. V. habe sogar das Vereinsheim mit einer Videoüberwachung versehen, zudem anderen bei technischen Fragen mit Rat und Tat zu Seite gestanden. Die Gärtner sahen darin nur Positives: „Er war in dem Punkt ein Nerd. Aber was sich wirklich dahinter verbarg, haben wir nicht geahnt...“
Update vom 7. Juni, 16.52 Uhr: Schwerer Missbrauch kleiner Kinder, Täter in mehreren Bundesländern und große Mengen technisch verschlüsselter Videoaufnahmen: Ermittler in Nordrhein-Westfalen haben ein Pädophilen-Netz aufgedeckt und bundesweit elf Verdächtigte festgenommen. Sieben der Beschuldigten befinden sich in Untersuchungshaft. Bisher sind drei Kinder als Opfer identifiziert worden.
Die Jungen sind nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft fünf, zehn und zwölf Jahre alt. Sie sollen teilweise stundenlang von mehreren Männern sexuell missbraucht worden sein - in einem Fall vom eigenen Vater, in einem anderem vom Lebensgefährten der Mutter.
Der Hauptbeschuldigte ist ein 27-jähriger IT-Techniker aus Münster. Ermittler fanden hochprofessionelle technische Ausstattung zur Videoaufzeichnung. Sie stellten mehr als 500 Terabyte versiert verschlüsselten Materials sicher. Nach der Auswertung der ersten Daten gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass bislang nur ein kleiner Teil der mutmaßlichen Verbrechen bekannt geworden ist. Viele der Daten müssen noch entschlüsselt werden.
Die Mutter des Verdächtigen soll bis zu ihrer Festnahme als Erzieherin gearbeitet haben. „Die Leitung der Kita wurde von uns informiert“, sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit gebe es aber keine Hinweise auf Taten der 45-Jährigen im Kindergarten. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte zuvor über den Arbeitsplatz der Frau berichtet. Ihre Gartenlaube in Münster gilt derzeit als Haupttatort.
Für alle Fälle ausgestattet: Im Keller des Hauptverdächtigen stießen die Ermittler auf diesen Serverraum.
Das bisherige Ermittlungsergebnis nach rund dreieinhalb Wochen sei wohl nur die Spitze des Eisbergs, sagten am Samstag übereinstimmend der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll, und Oberstaatsanwalt Botzenhardt. Die Ermittler hätten „unfassbare“ Bilder sehen müssen, so Poll. Münsters Polizeipräsident Rainer Furth sagte: „Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen und weit darüber hinaus.“
In der Gartenlaube in Münster sollen vier Männer stundenlang wechselweise einen fünf- und einen zehnjährigen Jungen vergewaltigt und die Taten teilweise gefilmt haben. Der 27-jährige Hauptverdächtige soll dazu den Männern den zehnjährigen Sohn seiner Lebensgefährtin überlassen haben. Das zweite Opfer war den Angaben zufolge der Sohn eines 30 Jahre alten Beschuldigten aus Staufenberg (Hessen). Die Kinder sollen vor den Taten betäubt worden sein. Bilder und Videos der Taten bot der Hauptverdächtige im Darknet an.
Bei den weiteren Beschuldigten, gegen die Haftbefehl erlassen wurde, handelt es sich den Angaben zufolge um Männer aus Hannover (35 Jahre alt), Schorfheide in Brandenburg (42), Kassel (43) und Köln (41) sowie die 45 Jahre alte Mutter des Hauptverdächtigen. Sie ist demnach Nutzerin der Gartenlaube im Stadtteil Kinderhaus. Sie soll ihrem Sohn die Schlüssel überlassen und den sexuellen Missbrauch der Kinder in Kauf genommen haben.
Update vom 6. Juni, 19.10 Uhr: Bei einer Pressekonferenz informierten Ermittler am Mittag über die Taten. Dort war zu sehen, wie sehr die erfahrenen Ermittlern unter dem Geschilderten selbst leiden müssen. Münsters Polizeipräsident Rainer Furth erklärte direkt zu Beginn der Pressekonferenz:
„Wenn Polizeipräsidenten sich auf Pressekonferenzen zu Wort melden, geht es meistens darum, herausragende Ermittlungserfolge zu vermitteln. Mir geht es um etwas anderes.
Mir geht es um das Leid der Opfer. Es geht mir darum, das Entsetzen darüber zum Ausdruck zu bringen, was geschehen ist und was meine Mitarbeiter in nur drei Wochen ermittelt haben. Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen und weit darüber hinaus. In der juristischen Sprache heißt es: 11 Festnahmen und sieben Haftbefehle wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Das gibt völlig unzureichend die Dimension dessen wieder, was wirklich geschehen ist – mitten unter uns, in unserer Gesellschaft. Wer macht sich eigentlich dabei Gedanken über das Leid, das Elend, das Martyrium der Kinder – begangen von Tätern, Vätern, zum Teil von Müttern der Kinder? Und wer macht sich Gedanken über die Männer und die Frauen bei der Polizei, die Hunderte von Terabytes auswerten müssen von diesem abscheulichen Dreck?“
Update vom 6. Juni, 18.50 Uhr: Wie die Bild berichtet (Artikel hinter einer Bezahlschranke), sind alle drei minderjährigen Missbrauchsopfer verwandt mit den mutmaßlichen Tätern - wenn auch im Falle des zehnjährigen Sohnes der Lebensgefährtin des Hauptverdächtigen nicht in direkter Linie. Der Fünfjährige sei der Sohn des Beschuldigten aus Staufenberg, beim Zwölfjährigen handele es sich um den Neffen eines Verdächtigen aus Kassel.
Der Name des Hauptverdächtigen wird mit Adrian V. angegeben. Die Mutter des 27-Jährigen, die von den Taten gewusst haben soll, heißt demnach Carina V.
Die Gartenlaube, in der die verabscheuungswürdigen Taten begangen worden seien, ist demnach mit videoüberwachten Doppelstockbetten ausgestattet, auch außen am Gebäude seine Kameras angebracht. Adrian V. sei IT-Techniker, kennt sich also mit derlei Installationen aus. Die Bild zitiert einen Garten-Nachbarn: „Adrian, die Frau und der Sohn waren oft im Garten. Der Junge kurvte oft mit dem Kettcar durch die Anlage, er war auffallend freundlich und höflich.“
Allerdings sei auch auffällig gewesen, dass Adrian V. einen sehr strengen Umgangston mit dem Jungen gepflegt habe. Allein wegen Kleinigkeiten habe der Zehnjährige um Erlaubnis fragen müssen. Zudem habe er die Parzelle nicht verlassen und mit anderen Kindern spielen dürfen, wenn es Ärger gegeben habe.
Wie sehr der Junge wirklich unter dem Schutzbefohlenen leiden musste, konnte sich aber wohl niemand ausmalen. Auch wenn Nachbarn auf den schwarzen VW-Bus von Adrian V. verweise, der oft über Nacht auf dem Parkplatz der Kleingarten-Kolonie gestanden habe. Zudem hätten sie mitbekommen, dass der 27-Jährige hohe Zahlungen leisten musste - weil er eine fremde Stromleitung anzapfte?
Um das technische Equipment für die Verbreitung der Schandtaten sorgte Adrian V. offenbar höchstselbst. „Er kannte sich da unglaublich gut aus, machte alles mit dem Internet total professionell“, sagten Nachbarn der Bild. Die Ermittler entdeckten die technische Ausrüstung für die Aufnahmen teilweise in einer Zwischendecke. Es sollen dem Blatt zufolge bereits knapp 600 Terabyte Material sichergestellt worden sein, doch nach und nach fänden sich immer mehr Datenträger mit abscheulichen Inhalten an.
Update vom 6. Juni, 17.52 Uhr: Das Jugendamt der Stadt Münster hatte Kontakt zu der Familie von einem der Opfer des Missbrauchsfalls in Nordrhein-Westfalen. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, „weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war“, teilte die Stadt mit. In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt.
2015 habe das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) sagte dazu: „Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist.“
Lewe reagierte bestürzt auf den Missbrauchsfall. „Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war“, teilte er mit.
Erstmeldung vom 6. Juni:
In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen hat es mehrere Hausdurchsuchungen und Razzien gegeben. Dabei gelang den Polizisten ein wichtiger Schlag gegen einen Kinderpornografie-Ring. Die Beamten nahmen insgesamt elf Tatverdächtige fest. Die Staatsanwaltschaft Münster hat gemeinsam mit der Polizei in einer Pressekonferenz am Samstag über die Geschehnisse informiert.
Bei dem Hauptverdächtigen soll es sich jedoch um einen 27-Jährigen aus Münster halten. Bei den Opfern soll es sich um drei Jungen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren handeln. Eines dieser Opfer ist nach Angaben der Polizei der Sohn der Lebensgefährtin des 27-jährigen Münsteraners. Auch die Mutter des 27-Jährigen zählt zu den Tatverdächtigen. Den Tatverdächtigen wird vorgeworfen die Jungen mehrmals schwer sexuell missbraucht haben und Videoaufnahmen dieser Handlungen angefertigt und über das Darknet geteilt zu haben. Inzwischen befinden sich die drei Jungen in der Obhut der zuständigen Jugendämter. Der 27-Jährige war 2016 und 2017 zweimal wegen des Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Er sei auch zu einer Therapie verpflichtet worden, die er auch absolviert habe.
Bei den übrigen Inhaftierten handelt es sich um einen 30-jährigen Mann aus Staufenberg bei Gießen, einen 35-Jährigen aus Hannover, einen 42-Jährigen aus dem brandenburgischen Schorfheide, einen 43-Jährigen aus Kassel und einen 41-Jährigen aus Köln. Dazu kommt die 45-jährige Mutter des 27-Jährigen mutmaßlichen Haupttäters, die von den Taten gewusst und diese aktiv unterstützt haben soll.
Bei der Untersuchung einer Gartenlaube in Münster, in der sich ein Großteil dieser Missbräuche ereignet haben sollen, fanden die Beamten einen klimatisierten Serverraum vor. Dort konnten die Ermittler nach bisherigen Erkenntnissen über 500 Terabyte an Daten und Material sicherstellen. Dort speicherte der Hauptverdächtige offenbar die Aufnahmen, die er von den Missbräuchen angefertigt hatte. Die Staatsanwaltschaft beschrieb die technische Ausrüstung als sehr professionell. Bislang sei noch nicht abzusehen, ob und inwieweit die dort gespeicherten Daten im Darknet verbreitet wurden.
Auch im Fall der seit 2007 vermissten Maddie McCann gibt es neue Erkenntnisse. Die Spuren führen zu einem Verdächtigen aus Deutschland.
„Selbst erfahrene Kriminalbeamten sind an die Grenzen dessen geraten, was zu ertragen ist und weit darüber hinaus“, sagt Münsters Polizeichef Rainer Furth zu dem Fall auf einer Pressekonferenz am Samstag. Furth war sichtlich berührt von den Vorgängen und zeigte sich entsetzt. Er sprach von „Elend, Leid, Martyrium“, das die Kinder durchlebt hatten. Auch die Ermittler täten ihm leid, die hunderte Terabyte „von diesem abscheulichen Dreck“ auswerten hätten müssen. Es gehe um sexuelle Handlungen schwerster Art, die von vier erwachsenen Männern begangen worden seien. „Sie können es sich nicht vorstellen“, sagte er.
Die Geschehnisse erinnern dabei an die Missbrauchsfälle auf einem Campingplatz in Lügde (NRW).
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