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Brisantes EuGH-Urteil: Resturlaub darf nicht verfallen

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Von: Lisa Mayerhofer

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Noch in diesem Jahr fällt das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung über die Verjährung von Urlaubsansprüchen. Arbeitnehmer könnten dann verfallenen Resturlaub geltend machen – auch rückwirkend.

München – Vor Weihnachten könnte noch ein kleines Geschenk an die deutschen Arbeitnehmer von der Justiz kommen: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wird am 20. Dezember über die Verjährung von Urlaubsansprüchen entscheiden. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (AZ: C-120/21 LB) festgesetzt, dass Urlaubstage nicht automatisch nach drei Jahren verjähren dürfen.

Steuerfachangestellte klagt wegen verfallenen Resturlaubs – und bekommt Recht

Geklagt hatte eine Frau aus Nordrhein-Westfalen, die von November 1996 bis einschließlich Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin in einer Kanzlei angestellt war. Ihr Urlaubsanspruch betrug pro Kalenderjahr 24 Tage. Anfang März 2012 hatte der Arbeitgeber ihr noch wegen der hohen Arbeitsbelastung bescheinigt, dass ihr Resturlaub von 76 Tagen aus dem Jahr 2011 und den Vorjahren nicht verfalle. In den Jahren 2012 bis 2017 sammelten sich weitere Urlaubstage an.

Als das Arbeitsverhältnis Ende Juli 2017 endete, verlangte die Frau von ihrem früheren Arbeitgeber die Abgeltung für 101 nicht genommene Urlaubstage sowie Weihnachtsgeld, insgesamt 23.092 Euro. 3.201 Euro hatte davon der Arbeitgeber bereits gezahlt. Die Restforderung hielt der Arbeitgeber für verjährt. Es gelte die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltene allgemeine Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren, so dessen Argumentation. Das BAG legte den Fall dem EuGH zur Prüfung vor.

Und die Luxemburger Richter gaben der Klägerin im September dem Grunde nach recht. Zwar sei es richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert zu werden, die länger als drei Jahre zurückliegen. Das gelte aber nicht, wenn der Arbeitgeber wie im vorliegenden Fall die Mitarbeiterin während des Beschäftigungsverhältnisses nicht zum Urlaub aufgefordert oder über den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen informiert hat.

Arbeitgeber müssen individuell auf Resturlaub hinweisen

Damit, so das Gericht, habe es der Arbeitgeber zu verantworten, dass der Urlaub nicht genommen wurde. Von der dreijährigen Verjährungsfrist könne er dann nicht profitieren. Wie lange Ansprüche geltend gemacht werden können, hatte der EuGH allerdings nicht zu entscheiden. Das will nun das Bundesarbeitsgericht im Dezember feststellen.

Das heißt für deutsche Arbeitnehmer: Nicht genommene Urlaubstage können dann nicht einfach mehr so verfallen und verjähren, sondern müssen gewährt oder ausbezahlt werden. Was das unter Umständen bedeutet? „Damit können Arbeitnehmer Urlaubsansprüche der letzten Jahrzehnte geltend machen – auch gegen den Ex-Arbeitgeber“, erklärte Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott der Bild-Zeitung. Die Details muss allerdings noch das BAG festlegen.

Nicht geltend gemacht werden kann der verfallene Resturlaub, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter ausreichend darüber aufgeklärt hat. Doch dafür reichen weder ein Satz im Arbeitsvertrag noch eine Massen-E-Mail mit Urlaubserinnerung. Kathrin Vossen, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln, weist in der Zeit darauf hin, dass der Hinweis auf den offenen Urlaub individualisiert sein muss. Jeder Mitarbeiter müsse einzeln darauf aufmerksam gemacht werden, wie viele offene Tage es noch gebe und ab wann diese verfallen können. „Ich würde das zum Beispiel per E-Mail machen“, rät Vossen den Arbeitgebern.

Verfallener Resturlaub: Saftige Nachzahlung für Klägerin

Für die Kanzlei kommt dieser Hinweis zu spät: Deren Ex-Mitarbeiterin kann sich nun auf eine hohe Nachzahlung freuen. Im vorhergehenden Urteil des Landesarbeitsgerichts ist laut Spiegel von einem „schlüssig vorgebrachten Resturlaubsanspruch von 76 Tagen“ die Rede und einem Tagessatz von 228,64 Euro. Ihr dürften damit dem Magazin zufolge rund 17.400 Euro plus Zinsen zugesprochen werden. 

Mit Material der epd

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